Pfändung von Rentenauskunftsansprüchen

Wer in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist, hat gemäß § 109 SGB VI einen Anspruch gegen den Rentenversicherungsträger, dass dieser ihn über die erworbenen Rentenanwartschaften informiert und Rentenauskünfte erteilt. Diese Ansprüche aus § 109 SGB VI auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften sind nicht zusammen mit der zukünftigen Forderung der Schuldnerin auf Zahlung von Renten mitgepfändet. Sie können auch nicht gesondert gepfändet werden.

Keine mitgepfändete Nebenforderung

Ob Ansprüche eines Versicherten gegen den Versicherungsträger auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften gemäß § 109 SGB VI pfändbar sind, ist umstritten.

Nach einer Auffassung werden diese Ansprüche durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, der zukünftige Rentenansprüche des Schuldners gegen den Rentenversicherungsträger pfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überweist, als unselbständige Neben- oder Hilfsrechte mitgepfändet und überwiesen1.

Nach anderer Auffassung kommt eine Pfändung dieser Ansprüche nicht in Betracht2.

Die letztgenannte Ansicht trifft nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zu:

Die Ansprüche aus § 109 SGB VI auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften sind nicht zusammen mit der zukünftigen Forderung der Schuldnerin auf Zahlung von Renten, die gemäß § 54 Abs. 4 SGB I gepfändet werden kann3, mitgepfändet.

Die mit einer Pfändung des Hauptrechts verbundene Beschlagnahme erstreckt sich zwar ohne weiteres auch auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung oder Übertragung kraft Gesetzes nach §§ 412, 401 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben- oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht. Das Vollstreckungsgericht kann auch auf Antrag des Gläubigers in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung (klarstellend) aussprechen4.

Um solche Nebenrechte handelt es sich bei den Ansprüchen aus § 109 SGB VI jedoch nicht.

Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird die Vorschrift unter anderem auf solche Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind oder deren Trennung die Durchsetzung der Rechte gemäß der wirtschaftlichen Vermögenszuordnung oder in anderer Weise die Rechtssicherheit gefährden würde5. Hierzu zählen auch Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung6. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Anspruch auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften nicht vor.

Dieser Anspruch dient weder der Durchsetzung der gepfändeten zukünftigen Rentenansprüche noch gefährdet seine Trennung von den Rentenansprüchen deren Realisierung. Soweit die oben angeführte Gegenmeinung teilweise darauf hinweist, dass nur aufgrund der Angaben, die im Rahmen der Auskunft nach § 109 SGB VI zu machen sind, der Gläubiger in die Lage versetzt werde, im Rahmen der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seine Forderung beizutreiben, trifft dies nicht zu. Denn in der Rentenauskunft oder Renteninformation nach § 109 SGB VI ist die pfändbare Höhe des Rentenanspruchs gerade nicht enthalten. Beide beinhalten nur Informationen, die als Prognose die Rente aus der derzeitigen Gesetzeslage als Regelaltersrente oder für den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung als verminderte Erwerbsfähigkeitsrente ausweisen7. Insbesondere stellt eine Rentenauskunft gemäß § 109 SGB VI keinen bestimmten Geldwert des Anwartschaftsrechts oder späteren Rechts auf Rente fest. Es handelt sich vielmehr in dieser Hinsicht nur um einen Schätzwert für den Geldwert des späteren Vollrechts auf Altersrente. Er würde dem Versicherten nach der zum Zeitpunkt der Auskunft maßgeblichen Sach- und Gesetzeslage als Regelaltersrente zustehen, wenn bis zum Eintritt des Versicherungsfalls und Rentenbeginns keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eintreten würde. Eine verbindliche Zuordnung eines bestimmten Geldwertes zu einer Anwartschaft vor Rentenbeginn ist nicht möglich. Bei Anwartschaftsrechtsinhabern ist ein solcher Geldwert nur – wenn auch nicht rechtlich verlässlich – abschätzbar8.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt deshalb auch eine parallele Behandlung der Pfändung von Lohnforderungen und Rentenansprüchen, die die Verweisung in § 54 Abs. 4 SGB I nahe legen könnte, jedenfalls nicht zur Mitpfändung der Auskunftsansprüche. Selbst wenn bei der Lohnpfändung als Nebenrecht automatisch Ansprüche auf Lohnabrechnungen mitgepfändet sein sollten9, so kann dies nicht auf die Rentenauskunft übertragen werden. Denn anders als die Lohnabrechnung stellt diese, im Unterschied etwa zu Rentenbescheiden, gerade kein Zeugnis über Inhalt und Umfang des gepfändeten Anspruchs dar.

Auf ein Interesse des Gläubigers an dem Erhalt der Rentenauskünfte, um abschätzen zu können, ob er einmal aus der Pfändung der Rentenansprüche mit einer Auszahlung rechnen kann, kommt es nicht an. Dieses begründet nicht, dass die Auskünfte der Durchsetzung etwaiger Rentenansprüche dienen würden. Sie würden ihm vielmehr die Entscheidung über sein weiteres Vollstreckungsverhalten erleichtern. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Ansprüche auf Rentenauskünfte unselbständige Nebenrechte der Rentenzahlungsansprüche sind.

Die Unabhängigkeit der Auskünfte nach § 109 SGB VI von späteren Rentenansprüchen zeigt sich auch daran, dass ein Anspruch auf erstere auch dann bestehen kann, wenn noch nicht einmal die Voraussetzungen für eine gesicherte Anwartschaft auf Rentenzahlungen erfüllt sind und damit auch keine – wenn auch rechtlich unverlässliche – Prognose irgendeiner Rentenhöhe möglich ist.

Der Zweck der Vorschrift erhellt ebenfalls, dass sie kein Begleitrecht von Rentenzahlungsansprüchen schafft. Der Versicherte soll durch den Anspruch auf Erteilung einer Auskunft gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 SGB VI so rechtzeitig über seine finanzielle Situation im Alter informiert werden, dass er aufgrund dieses Erkenntnisstandes gegebenenfalls weitere Vorsorge für sein Alter treffen kann8. Die Renteninformation soll die Transparenz der aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwartenden Leistungen erhöhen und den Versicherten frühzeitig informieren, um ihm die Möglichkeit zu geben, Notwendigkeit und Umfang einer ergänzenden Altersvorsorge besser einschätzen zu können10. Die Vorschrift dient der Information des Versicherten, der in der Regel nicht in der Lage ist, die Rente oder die zum Ausgleich einer Rentenminderung erforderliche Beitragszahlung selbst zu berechnen11. Alle diese Erwägungen treffen ausschließlich auf die Zeit vor dem Rentenbezug und unabhängig davon zu, ob Rentenansprüche tatsächlich entstehen werden; mit deren Geltendmachung haben sie nichts zu tun.

Die Rechtsbeschwerde irrt, wenn sie aus der Tatsache, dass der Anspruch auf Erteilung der Rentenauskunft gemäß § 109 SGB VI einen Rechtsanspruch im Sinne von § 38 SGB I darstellt, der durch Klage bei den Sozialgerichten durchgesetzt werden kann (§§ 51, 54 SGG), folgern möchte, dass dieser Anspruch kein Nebenrecht des sozialrechtlichen Versicherungsverhältnisses, sondern ein Nebenrecht des Rentenanspruchs selbst sei. Das Gegenteil ist der Fall. Die Klagemöglichkeit besteht unabhängig von der Existenz eines Rentenanspruchs. Sie gründet sich vielmehr in dem Versicherungsverhältnis. Subjektive Rechte aus dem Versicherungsverhältnis können durch Klage durchgesetzt werden.

Keine gesonderte Pfändung

Die danach selbständigen Ansprüche können auch nicht gesondert gepfändet werden.

Die Ansprüche aus § 109 SGB VI auf Erteilung von Renteninformationen und Rentenauskünften sind schon keine Vermögensrechte im Sinne von § 857 ZPO.

Als Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO pfändbar sind Rechte aller Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs des Gläubigers führen kann12. Eine solche Verwertung dieser Ansprüche ist nicht denkbar. Sie haben selbstständig überhaupt keinen Vermögenswert. Sie können – wie dargelegt – auch nicht im Zusammenwirken mit der Pfändung von Rentenzahlungsansprüchen deren Wert erhöhen, weil die Durchsetzung dieser Ansprüche nicht erleichtert wird.

Darüber hinaus unterlägen die Ansprüche entweder nach § 54 Abs. 1 SGB I oder aufgrund ihres höchstpersönlichen Charakters nach § 851 ZPO ebenfalls nicht der Pfändung.

§ 109 SGB VI konkretisiert und ergänzt die Beratungs- und Auskunftspflichten nach den §§ 14 und 15 SGB I13. Wie diese ist die Erteilung einer Renteninformation oder Rentenauskunft damit eine soziale Dienstleistung im Sinne des § 11 SGB I14, die nach § 54 Abs. 1 SGB I nicht gepfändet werden kann. Selbst sofern man sie hiervon differenzierend als eine Form des leistungsbegleitenden Verhaltens zur optimalen Sicherstellung von Leistungsansprüchen charakterisieren würde15, könnte sie im Hinblick auf ihren Zweck als ein höchstpersönliches Recht nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht gepfändet werden16.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Februar 2012 – VII ZB 117/09

  1. LG Bochum, JurBüro 2009, 270; LG Dresden, JurBüro 2009, 45 f.; AG Linz, JurBüro 2010, 215; AG Siegen, JurBüro 1998, 603; AG Singen, JurBüro 1998, 159; AG Sinsheim, JurBüro 1998, 159; AG Spaichingen, JurBüro 1998, 160; AG Heidelberg, JurBüro 1998, 160; AG Diepholz, JurBüro 1998, 160; AG Verden, JurBüro 1997, 211; einschränkend Behr, JurBüro 1998, 156 f.[]
  2. OLG Celle, JurBüro 1998, 156; LG Leipzig, Rpfleger 2005, 96; LG Siegen, JurBüro 1999, 158; LG Berlin, JurBüro 1998, 157; LG Mannheim, JurBüro 1998, 158; LG Bochum, JurBüro 1998, 160; AG Gelsenkirchen, JurBüro 1998, 603; AG Nienburg, JurBüro 1998, 158; Pflüger in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl., § 54 Rn. 37; Schmidt, Rpfleger 2005, 97; Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., Anh. zu § 829 Rn. 28; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1369d; H. P. Westermann in: Erman, BGB, 13. Aufl., § 401 Rn. 2[]
  3. BGH, Beschluss vom 21.11.2002 IX ZB 85/02, NJW 2003, 1457[]
  4. BGH, Beschluss vom 18.07.2003 – IXa ZB 148/03, NJW-RR 2003, 1555 m.w.N.[]
  5. MünchKomm-BGB/Roth, 5. Aufl., § 401 Rn. 13[]
  6. MünchKomm-BGB/Roth, aaO Rn. 8; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl, § 401 Rn. 4, jeweils m.w.N.[]
  7. so zutreffend LG Leipzig, Rpfleger 2005, 96 f.[]
  8. BSG, Urteil vom 30.08.2001 – B 4 RA 114/00 R[][]
  9. vgl. OLG Braunschweig, Rpfleger 2005, 150[]
  10. Polster in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 71. Ergänzungslieferung 2011, § 109 SGB VI Rn. 3 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 14/4595 S. 50[]
  11. Fichte in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB VI, Lieferung 3/11, VI/11 K § 109 Rn. 2, 10[]
  12. BGH, Beschluss vom 05.07.2005 – VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 857 Rn. 2[]
  13. Kreikebohm/Schmidt, SGB VI, 3. Aufl., § 109 Rn. 7; Polster in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 71. Ergänzungslieferung 2011, § 109 SGB VI Rn. 2[]
  14. Fichte in: Hauck, Sozialgesetzbuch, SGB VI, Lieferung 3/11, VI/11 K § 109 Rn. 7[]
  15. so Kreikebohm/Hoyer in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 3, § 20 Rn. 94[]
  16. so Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., Anh. zu § 829 Rn. 28[]