Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Firmendirektversicherung ist bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung pfändbar.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG darf bei einer der Altersversorgung dienenden Direktversicherung der vor Eintritt des Versorgungsfalls und nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 1b Abs. 1 und 5 BetrAVG aus dem Ar-beitsverhältnis ausgeschiedene Arbeitnehmer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals oder, soweit die Berechnung des Deckungskapitals nicht zum Geschäftsplan gehört, des nach § 169 Abs. 3 und 4 des Versicherungsvertragsgesetzes berechneten Wertes weder abtreten noch beleihen. Durch diese Verfügungsbeschränkungen soll im Rahmen des rechtlich Möglichen erreicht werden, die bestehende Anwartschaft im Interesse des Versorgungszwecks aufrecht zu erhalten, d.h. zu verhindern, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet. Das entspricht der Grundkonzeption der §§ 1b und 2 BetrAVG, die darauf ausgerichtet ist, die Versorgungsanwartschaft beim vorzeitigen Ausscheiden des Arbeit-nehmers aufrecht zu erhalten und die Fälligkeit unangetastet zu lassen. Der Versorgungszweck der Anwartschaften soll möglichst lückenlos gesichert werden1.
Mit diesen Verfügungsbeschränkungen korrespondiert ein Pfändungsverbot, § 851 Abs. 1 ZPO. Die Unpfändbarkeit gilt uneingeschränkt für die vor Verfügungen des Arbeitnehmers umfassend geschützte Versorgungsanwartschaft2.
Die Verfügungsbeschränkung erfasst nicht den Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall. Das hat der Bundesgerichtshof bereits in einer Entscheidung aus dem Oktober 20083 entschieden4. Er hat in dieser Entscheidung lediglich offen gelassen, ob bereits der zukünftige Anspruch gepfändet werden kann. Diese Frage ist zu bejahen.
Künftige Forderungen können grundsätzlich gepfändet werden, sofern ihr Rechtsgrund und der Drittschuldner im Zeitpunkt der Pfändung bestimmt sind5. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn ein zukünftiger Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einem bestimmten Versicherungsvertrag gepfändet wird.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts, die auch von anderen Gerichten geteilt wird6, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG nichts anderes.
Zwar spricht § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG unterschiedslos von „Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag“ und differenziert nicht zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen. Dieser Wortlaut steht aber entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung nicht entgegen, dass zukünftige Forderungen von dem Pfändungsverbot nicht umfasst sein sollen. Diese erst nach Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Forderungen hat die Norm nicht im Blick. § 2 BetrAVG enthält Regelungen hinsichtlich der von dem vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer erworbenen Versorgungsanwartschaft, also für die Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalls. § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG will verhindern, dass der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet. Dieser Gesetzeszweck hindert nicht, einen Gläubiger des Arbeitnehmers im Wege der Pfändung auf die mit Eintritt des Versicherungsfalls fälligen Ansprüche als zukünftige Forderungen zugreifen zu lassen. Hierdurch wird einerseits die Anwartschaft als solche nicht beeinträchtigt. Andererseits wird dem Umstand Rechnung getragen, dass auch schuldrechtliche Forderungen zu den Eigentumsrechten im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG gehören und der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz sich insbesondere auf das Befriedigungsrecht des Gläubigers erstreckt7. Dieses wäre in erheblichem Maße beeinträchtigt, wenn man dem Schuldner durch ein Pfändungsverbot hinsichtlich seiner zukünftigen Forderungen die Möglichkeit eröffnen würde, am Tag des Eintritts des Versicherungsfalls durch frühzeitige Verfügungen über seine Versorgungsansprüche die erst dann zulässige Pfändung durch den Gläubiger ins Leere laufen zu lassen.
Ein anderes Verständnis des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG würde der Behandlung gleich gelagerter Fälle widersprechen8. So sind zukünftige Ansprüche auf betriebliches Ruhegeld auf der Grundlage einer betrieblichen Direktzusage pfändbar9. Weiterhin sind die zukünftigen Ansprüche gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung pfändbar10. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber dies anders gesehen hat und eine davon abweichende Regelung treffen wollte. Allerdings meint das Oberlandesgericht Köln11, eine unterschiedliche Regelung sei deshalb gewollt, weil der Arbeitnehmer der betriebliche Altersvorsorge häufig den Charakter einer „Sonderzuwendung“ beimessen dürfte und deshalb weit stärker dazu verleitet werde, den gegenwärtigen Lebensstandard zu Lasten der späteren Altersversorgung zu verbessern. Für diese Überlegungen findet sich im Gesetz und dem zugrunde liegenden Verfahren keine Grundlage. Bei der betrieblichen Altersversorgung handelt es sich neben der gesetzlichen Rentenversicherung um eine eigenständige Säule im Alterssicherungssystem. Der ihr ursprünglich innewohnende Fürsorgegedanke ist in den Hintergrund getreten12. Sie sichert in gleicher Weise wie die gesetzliche Rentenversicherung den zukünftigen Unterhalt des Arbeitnehmers. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Verfügung über zukünftige Ansprüche aus den vom Oberlandesgericht Köln genannten Gründen untersagen wollte, die schon in ihrer Grundlage nicht abgesichert und zweifelhaft sind.
Danach durfte die Gläubigerin den künftigen Anspruch des Schuldners auf Auszahlung der Versicherungsleistung pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Da es sich nicht um eine Rente, sondern um eine Kapitalleistung handelt, steht dem Schuldner Vollstreckungsschutz nur nach § 850 i ZPO zu13.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. November 2010 – VII ZB 87/09
- Blomeyer/Rolfs/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 5. Aufl., § 2 Rn. 260 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien[↩]
- Blomeyer/Rolfs/Otto, aaO, Rn. 267; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 892a[↩]
- BGH, Beschluss vom 23.10.2008 – VII ZB 16/08, NJW-RR 2009, 211[↩]
- vgl. auch Blomeyer/Rolfs/Otto, aaO, Rn. 279; Stöber, aaO, Rn. 892a, 920; Merten, BetrAV 2004, 721, 725, 726[↩]
- BGH, Urteil vom 24.11.1988 – IX ZR 210/87, NJW-RR 1989, 286, 290; und Beschluss vom 21.11.2002 – IX ZB 85/02, NJW 2003, 1457, 1458; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 829 Rn. 2[↩]
- LG Konstanz, Rpfleger 2008, 87; OLG Köln, OLGR 2003, 54 = InVO 2003, 198[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.08.2004 – IXa ZB 271/03, BGHZ 160, 197, 199; und Beschluss vom 28.03.2007 – VII ZB 43/06, Rpfleger 2007, 404 = JurBüro 2007, 380[↩]
- vgl. auch Merten, aaO, S. 725[↩]
- BGH, Urteil vom 24.11.1988 – IX ZR 210/87, NJW-RR 1989, 286[↩]
- Beschluss vom 21.11.2002 – IX ZB 85/02, NJW 2003, 1457[↩]
- OLGR 2003, 54 = InVO 2003, 198[↩]
- vgl. Förster/Rühmann/Cisch, Betriebsrentengesetz, 11. Aufl., Einführung Rn. 2, 5[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2008 – VII ZB 16/08, NJW-RR 2009, 211[↩]