Beitragsrechtliche Rückbeziehung bei einer Ghetto-Rente

Auch im Rahmen des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto besteht keine Berechtigung, vier freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der verstorbenen Mutter zu zahlen.

In dem hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall war die Frage zu beantworten, ob die Tochter berechtigt ist, freiwillige Rentenversicherungsbeiträge innerhalb noch laufender Entrichtungsfrist des § 197 Abs 2 SGB VI wirksam zu zahlen. Nicht dagegen war über die Berechtigung der Tochter zu entscheiden, freiwillige Beiträge ausnahmsweise wegen besonderer Härte auf der Grundlage der Härtefallregelung des § 197 Abs 3 SGB VI nachzuzahlen; dazu bedarf es zunächst eines vorgeschalteten besonderen Verwaltungsverfahrens, das bisher nicht durchgeführt wurde.

Die Tochter ist nicht als Sonderrechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen Mutter in ein Beitragszahlungsrecht eingerückt, und kann daher nicht durch die nachträgliche Erfüllung der Wartezeit für sich einen Übergang von hier im Raum stehenden Rentenleistungen für die Zeit von November 1998 bis Januar 2007 realisieren. Daran fehlt es bereits, weil schon ihre Mutter zuletzt kein Recht mehr hatte, für zurückliegende Zeiträume bis zum Eintritt des Versicherungsfalls für eine Regelaltersrente am 24.10.1998 Beiträge zu entrichten. Die Rentenversicherung musste solche Beiträge nicht nach § 197 Abs 2 SGB VI als wirksame Beiträge entgegennehmen und für die Wartezeit berücksichtigen. Die Frist zur Entrichtung wirksamer freiwilliger Beiträge nach § 197 Abs 2 SGB VI war nämlich bereits abgelaufen, als die Mutter sich im Mai 2003 mit dem Begehren an die Rentenversicherung wandte, ihr „die freiwillige Weiterversicherung nach § 7 SGB VI“ zu ermöglichen. Gemäß § 197 Abs 2 SGB VI sind freiwillige Beiträge nur dann wirksam, wenn sie bis zum 31.3. des Jahres gezahlt werden, das dem Jahr folgt, für das die Beiträge gelten sollen. Die Entrichtungsfrist für die Zahlung von Beiträgen für das Jahr 1998 ist mithin seit 1.4.1999 abgelaufen. Das Verstreichen dieser Entrichtungsfrist war nicht nach § 198 S 1 SGB VI durch ein „Beitragsverfahren“ oder ein „Verfahren über einen Rentenanspruch“ unterbrochen. Denn ein solches Verfahren wurde auch erst frühestens mit der tatsächlichen Antragstellung im Mai 2003 anhängig gemacht. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die verstorbene Mutter zum Personenkreis der Berechtigten nach dem ZRBG gehörte. Nach § 3 Abs 1 S 1 ZRBG gilt ein von Verfolgten, die in einem Ghetto Beschäftigungszeiten zurückgelegt haben, bis zum 30.6.2003 gestellter Rentenantrag zwar (fiktiv) als bereits am 18.6.1997 gestellt. Die Auslegung dieser Regelung ergibt jedoch, dass diese Fiktion für die vorliegend zu beantwortende (verwaltungs)verfahrensrechtliche Frage aus dem Beitragsrecht im Kontext des § 198 S 1 SGB VI keine rechtliche Bedeutung hat. Modifiziert wird durch § 3 Abs 1 S 1 ZRBG allein der Zeitpunkt der Antragstellung als eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen, die nach § 99 Abs 1 SGB VI im Leistungsrecht für den Beginn der Altersrente erfüllt sein müssen.

Ähnlich haben der 5. und der 13. Senat des Bundessozialgerichts die Regelung im Verhältnis zu § 44 Abs 4 SGB X nur in einem engen bereichsbezogenen Sinn ausgelegt1. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung zum ZRBG2. Das ZRBG modifiziert nicht die allgemeinen rentenrechtlichen Voraussetzungen einer Rentengewährung, also etwa das Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit von mindestens 60 Monaten und die allgemeinen beitragsrechtlichen Regelungen über die Möglichkeit, zur Erfüllung der Wartezeit freiwillige Beiträge in laufender Frist zu entrichten. Da die verstorbene Mutter der Klägerin zuletzt kein entsprechendes Beitragszahlungsrecht mehr hatte, konnte ein solches auch nicht auf die Klägerin übergehen. Darüber hinaus ist im ZRBG auch nicht geregelt, dass zu Gunsten von Sonderrechtsnachfolgern von ZRBG-Berechtigten von den allgemeinen Regelungen über die Sonderrechtsnachfolge gemäß § 56 Abs 1 S 1 SGB I abgesehen werden kann. Danach gehen auf Sonderrechtsnachfolger nur „fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen“ über. Solche fälligen Leistungen waren zum Zeitpunkt des Todes der Mutter der Klägerin noch nicht entstanden, schon weil bis zu diesem Zeitpunkt keine zu einer Rentenzahlung führenden freiwilligen Beiträge tatsächlich gezahlt worden waren. Die von der Klägerin gewünschte „Rückbeziehung“ des (verwaltungs)verfahrensrechtlichen Beginns von Rentenverfahren mit Bezug zum ZRBG auf den 18.6.1997 im Kontext des § 198 S 1 SGB VI lässt sich im Wege richterlicher Rechtsfortbildung nicht erreichen. Vielmehr wäre zur vorliegenden Problematik der Gesetzgeber aufgerufen, Neuregelungen herbeizuführen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 R 12/11 R

  1. BSG SozR 4‑5075 § 3 Nr 1; BSGE 110, 97 = SozR 4‑5075 § 3 Nr 2[]
  2. BT‑Drucks 14/8583 S 1[]