Rentenzahlung nach dem Tod des Leistungsberechtigten

Eine Verpflichtung der Bank zur Rücküberweisung der für Zeiträume nach dem Tode des Berechtigten noch überwiesenen Rentenbezüge besteht bei Fehlen eines Guthabens nach den klaren Vorgaben des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt worden war. Da sich ein davon abweichender Regelungswille des Gesetzgebers nicht feststellen lässt, wird eine Rücküberweisungsverpflichtung nicht schon durch eine bereits vor Eingang der Rückforderung auf Seiten der Bank vorhandene Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers begründet.

Nach § 118 Abs. 3 SGB VI1 gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht (Satz 1) . Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern (Satz 2). Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann (Satz 3). Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (Satz 4).

Die in § 118 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 SGB VI genannten Voraussetzungen liegen hier vor: Mit der Hinterbliebenenrente für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 ist für die Zeit nach dem Tode der Versicherten eine Geldleistung auf deren Girokonto bei der Bank als einem inländischen Geldinstitut überwiesen worden. Die Rentenzahlungen der Rentenversicherung für diese Monate sind zu Unrecht erbracht worden, weil nach § 102 Abs. 5 SGB VI ein Anspruch auf Zahlung der Rente nur bis zum Ende des Kalendermonats bestanden hat, in dem die Versicherte gestorben war, vorliegend also bis zum 30.11.2009. Dem steht die Bindungswirkung der Rentenbewilligung nicht entgegen, weil sich der diesbezügliche Verwaltungsakt mit dem Tode der Versicherten als Rentenberechtigte auch ohne Aufhebungsbescheid nach § 39 Abs. 2 SGB X „auf andere Weise“ erledigt hat2. Schließlich liegt auch ein ordnungsgemäßes Rücküberweisungsverlangen3 vor: Die Rentenversicherung hat die Bank am 26.03.2010 zur Rücküberweisung aufgefordert.

Dem Begehren der Rentenversicherung auf Rücküberweisung dieses Betrags kann die Bank jedoch den Einwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 SGB VI entgegenhalten, weil bei Eingang des Rücküberweisungsverlangens am 26.03.2010 über den der fehlüberwiesenen Rentenleistung „entsprechenden Betrag“ bereits „anderweitig verfügt“ worden war. Die Barabhebungen ab 3.12 2009 über 1000 € sowie bei der Kontoauflösung am 27.01.2010 über 1.138, 52 € stellen ebenso wie auch die weiteren Abbuchungen und Überweisungen anspruchsvernichtend zu berücksichtigende anderweitige Verfügungen dar, da diese jeweils bereits vor Eingang der Rückforderung vorgenommen worden waren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts ist unter „anderweitige Verfügung“ jedes abgeschlossene bankübliche Zahlungsgeschäft zu Lasten des Rentenüberweisungskontos anzusehen, durch das sich eine kontoverfügungsberechtigte Person des Kontos zur Bewirkung einer Zahlung oder Auszahlung bedient; kontoverfügungsberechtigt sind in der Regel der verstorbene Rentenberechtigte und Kontoinhaber selbst, sein (gesetzlicher oder bevollmächtigter) Vertreter (auch für die Zeit nach dem Tode) oder seine Erben4. Im vorliegenden Fall bestehen keine Zweifel, dass die aufgeführten Verfügungen zu den banküblichen Zahlungsgeschäften zählen.

Nach § 118 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 SGB VI hängt die Minderung des Rücküberweisungsanspruchs allein davon ab, dass bei Eingang des Rücküberweisungsverlangens (des Rentenversicherungsträgers oder der überweisenden Stelle) über den der überzahlten Rente entsprechenden Betrag bereits „anderweitig verfügt“ wurde5. Die durch diese Bestimmung getroffene Regelung gewährt dem Geldinstitut, soweit zwischen den beiden maßgeblichen Zeitpunkten (Gutschrift der Sozialleistung und Eingang der Rückforderung) Verfügungen Berechtigter vorgenommen worden sind, – bei Fehlen eines Guthabens, wie im vorliegenden Fall – stets eine Verschonung von der Rücküberweisung der überzahlten Geldleistung in Höhe des verfügten Betrages6.

Das Vorbringen der Bank gibt dem Landessozialgericht ebenso wenig wie abweichende Auffassungen in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung7 einen Anlass, diesbezüglich von den klaren Vorgaben des Gesetzes und der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen. Der Wortlaut des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI stellt ausdrücklich auf den „Eingang der Rückforderung“ ab und nicht etwa auf einen (im Bankalltag nicht selten zeitlich vorausgehenden) Zeitpunkt, zu dem das Geldinstitut anderweitig – mitunter auch nur mehr oder weniger verlässlich – Kenntnis von dem Tod eines Kontoinhabers erlangt haben mag.

Es lässt sich insbesondere nichts dafür objektivieren, dass der Gesetzgeber mit der ihrem Wortlaut nach eindeutigen Formulierung „Eingang der Rückforderung“ etwas anderes gemeint haben könnte als dem allgemeinen Sprachverständnis entsprechen würde. Damit fehlt schon der erforderliche Anknüpfungspunkt, um auch unter Beachtung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz (Art.20 Abs. 3 GG) einen Ausnahmetatbestand etwa in Form einer sog. planwidrigen Regelungslücke annehmen zu können, aufgrund dessen eine vom Wortlaut abweichende Gesetzesinterpretation in Betracht kommen könnte.

Vielmehr entspricht gerade die wortlautgetreue Gesetzesanwendung der gesetzgeberischen Zielrichtung. Die Auffassung der Rentenversicherung würde im Ergebnis dazu führen, dass Kreditinstitute in allen Fällen, in denen sie Kenntnis vom Tod eines Kontoinhabers erlangen, aus eigenem Entschluss alle Eingänge auf den Konten daraufhin überprüfen müssten, ob diese nach materiellem Rentenrecht zurückzufordern sein könnten, sie müssten dann in solchen Fällen von sich aus im Hinblick auf ein zu diesem Zeitpunkt lediglich mögliches Rückforderungsbegehren des Rententrägers Verfügungen über diese Beträge unterbinden. Eine solche Belastung hat der Gesetzgeber den Kreditinstituten nicht zumuten wollen; insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass die vom Gesetzgeber letztlich fortgeschriebene8 zwischen den Spitzenverbänden der Kreditinstitute und den Spitzenverbänden der Rentenversicherungs- und Unfallversicherungsträger zum 1.01.1982 getroffene Vereinbarung (sog. „Vereinbarung 1982“, vgl. dazu ebenfalls BSG, Urteil vom 09.12 1998, aaO) nach dem Willen der Vertragspartner eine solche Belastung der Kreditinstitute beinhalten sollte.

Vielmehr war bereits im Rahmen der damaligen Vereinbarung wie auch heute mit der Regelung in § 118 Abs. 3 SGB VI eine Risikoverteilung im Rahmen eines typisierten Interessenausgleichs zwischen Rentenversicherungsträger und Geldinstitut erkennbar. Das Geldinstitut sollte einen eventuellen (im vorliegenden Fall aber gerade nicht realisierten) wirtschaftlichen Vorteil, den es sich auf Grund der rechtsgrundlosen Rentenüberweisung gutgläubig zu verschaffen vermochte, wieder herausgeben. Es sollte aber andererseits durch den beschleunigten Rückruf der Rentenleistung auch keinen wirtschaftlichen Nachteil befürchten müssen, sondern lediglich als wirtschaftlich unbeteiligter Zahlungsmittler fungieren9. Diese vom Gesetzgeber angestrebte Risikoverteilung darf im Wege der Gesetzesinterpretation nicht einseitig zu Lasten der Banken verschoben werden.

Ein darauf abzielender gesetzgeberischer Wille lässt sich umso weniger erkennen, als damit nicht selten auch schwer wiegende sachlich nicht gerechtfertigte Notlagen auf Seiten der Versicherten verbunden sein würden. Unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Bank müssten die Banken mangels weitergehender rentenrechtlicher Prüfungskompetenzen eine Verfügung der Hinterbliebenen über die fortgezahlten Rentenbezüge auch in Fallgestaltungen unterbinden, in denen der Rentenversicherungsträger nie ein Rückforderungsbegehren aussprechen wird, weil die Hinterbliebenen in gleicher Höhe Hinterbliebenenrentenansprüche geltend machen können. Betroffen sind insbesondere die in der Praxis bedeutsamen Fallgestaltungen, in denen dem überlebenden Ehegatten des verstorbenen Rentenbeziehers Witwen- bzw. Witwerrentenansprüche zustehen. Nach § 67 Nrn. 5 und 6 SGB VI beträgt der Rentenartfaktor bei Witwen- bzw. Witwerrenten in den ersten drei Monaten nach Ablauf des Todesmonats des Ehegatten 1, 0; § 7 RentSV sieht dabei sogar grundsätzlich die Gewährung eines Vorschusses für die ersten drei Kalendermonate nach dem Tod des Berechtigten (des sog. Sterbequartalsvorschusses) vor. Damit soll gerade ein nahtloser Übergang von der Versicherten- zur Witwen- bzw Witwerrente gewährleistet und der Unterhalt des Hinterbliebenen auch im Fall erhöhter Aufwendungen infolge des Todesfalls sichergestellt werden10. Diesen gesetzgeberischen Zielvorstellungen würde es widersprechen, wenn entsprechend der Rechtsauffassung der Bank die Banken eine Verfügung des hinterbliebenen Ehegatten über eine eingehende Rentenzahlung verhindern würden. Damit würde gerade ein nahtloser Übergang von der Versicherten- zur Witwen- bzw Witwerrente unterbunden.

Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Inanspruchnahme der Bank nach § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI für den Leistungsträger zwar die einfachste, aber nicht die einzige Möglichkeit ist, den zu Unrecht überwiesenen Betrag zurückzuerlangen11. Bezeichnenderweise hat die Bank ausweislich des verwaltungsinternen Aktenvermerks auch bereits am 5.05.2010 erwogen, die überzahlten Rentenbeträge von den Erbinnen zurückzufordern.

Landessozialgericht Niedersachsen -Bremen, Urteil vom 1. Juli 2014 – L 2/12 R 382/11

  1. hier in der seit 1.03.2004 bis 8.04.2013 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 27.12.2003, BGBl I 3019[]
  2. vgl das o.g. BSG, Urteil vom 05.02.2009 mwN[]
  3. s hierzu ebenfalls BSG, aaO[]
  4. vgl. wiederum das o.g. BSG, Urteil vom 05.02.2009[]
  5. so ausdrücklich das o.g. BSG, Urteil vom 05.02.2009[]
  6. BSG, Urteil vom 09.12 1998 – B 9 V 48/97 R –, BSGE 83, 176; auf den Eingang des Rücküberweisungsbegehrens stellen beispielsweise auch ab: BSG, Urteil vom 26.04.2007 – B 4 R 89/06 R – SozR 4-2600 § 118 Nr. 5; Urteil vom 22.04.2008 – B 5a/4 R 79/06 R –, SozR 4-2600 § 118 Nr. 6[]
  7. vgl. etwa LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil. v. 24.01.2014 – L 14 R 1000/12 –, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.09.2013 – L 4 R 496/08 –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil. v. 02.07.2013 – L 13 R 2202/12 –, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 19.02.2013 – L 2 R 262/12 –[]
  8. vgl. auch BT-Drs. 11/4124 S 179 zu § 119 in der Zählung des Entwurfes[]
  9. BSG, Urteil vom 22.04.2008 – B 5a/4 R 79/06 R –, SozR 4-2600 § 118 Nr 6 mwN[]
  10. BSG, Urteil vom 24.10.2013 – B 13 R 35/12 R –, SozR 4-2600 § 118 Nr. 12[]
  11. BSG, Urteil vom 09.12 1998, aaO[]