Eine Übertragung des nahezu gesamten Vermögens einer Unterstützungskasse auf einen anderen Rechtsträger lässt die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG 2002 mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume entfallen. Es liegt ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung während des Bestehens der Kasse vor, da die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nicht mehr tatsächlich für die Zwecke der Kasse „dauernd“ gesichert i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c KStG 2002 ist1.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG 2002 sind u.a. rechtsfähige Unterstützungskassen von der Körperschaftsteuer befreit, wenn neben weiteren Voraussetzungen sichergestellt ist, dass die ausschließliche und unmittelbare Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung für die Zwecke der Kasse dauernd gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c KStG 2002). Diese Vermögensbindung betrifft die Sicherung des Kassenvermögens während des Bestehens der Kasse. Ist die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nicht dauernd gesichert, entfällt die Steuerbefreiung nicht nur mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum, in welchem die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben worden ist, sondern auch mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume, soweit die Verjährung des Steueranspruchs noch nicht eingetreten ist. Das ergibt sich unmittelbar aus der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c KStG 2002, nach welcher die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse tatsächlich für die Zwecke der Kasse „dauernd“ gesichert sein muss2.
Die Vermögensbindung während des Bestehens der Kasse ist von der Vermögensbindung bei Auflösung der Kasse zu unterscheiden. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KStG 2002 knüpft die Steuerbefreiung daran, dass der Betrieb der Kasse nach dem Geschäftsplan und nach Art und Höhe der Leistungen eine soziale Einrichtung darstellt. Nach § 1 Nr. 2 KStDV 1977 handelt es sich bei einer Kasse nur dann um eine soziale Einrichtung i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KStG 2002, wenn bei Auflösung der Kasse deren Vermögen satzungsmäßig nur den Leistungsempfängern oder deren Angehörigen zugutekommt oder für ausschließlich gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verwendet werden darf. Die Vermögensbindung bei Auflösung der Kasse stellt, wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 20. September 19673 ausgeführt hat, eine der wichtigsten Voraussetzungen der Körperschaftsteuerfreiheit von Unterstützungskassen dar, die auch satzungsmäßig festzuhalten ist. Es ist daher nicht zulässig, dass nach Auflösung der Kasse das Vermögen an das Trägerunternehmen oder an den Unternehmer zurückfließt. Eine solche Verwendung läuft der Vorschrift des § 1 Nr. 2 KStDV 1977 zuwider und schließt die Steuerbefreiung aus4.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegt im Streitfall ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung während des Bestehens der Kasse vor. Nach den Feststellungen des Finanzgericht, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind und an die der BFH deshalb gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hat der Kläger im Streitjahr einen Betrag von 1.021.580,94 EUR auf die P-AG übertragen. Dieser Betrag stellte nahezu das gesamte Vermögen des Klägers dar. Der gemeine Wert dieses Vermögens betrug am Ende des Streitjahres 4.022,36 EUR und das zulässige Kassenvermögen 0 EUR. Aufgrund der Übertragung des nahezu gesamten Vermögens auf die P-AG ist die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nicht mehr tatsächlich für die Zwecke der Kasse „dauernd“ gesichert i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c KStG 2002. Damit entfällt die Steuerbefreiung nicht nur mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum, in welchem die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben worden ist, sondern auch mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume, soweit die Verjährung des Steueranspruchs noch nicht eingetreten ist. Der BFH hält insoweit an seinem Urteil in BFHE 121, 322, BStBl II 1977, 490 fest. Dass dieses Urteil noch zur alten Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG a.F. i.V.m. § 11 Nr. 1 KStDV a.F. ergangen ist, ist unbeachtlich. Die nachfolgende Regelungsänderung durch § 20 des Gesetzes zur Verbesserung der Betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.19745 betraf die Entlassung des überdotierten Vermögens einer Unterstützungskasse aus der Vermögensbindung6; sie belässt die Regelung zur satzungsmäßigen Vermögensbindung, die vorliegend streitig ist, unberührt.
Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Kasse im Zeitpunkt der Übertragung des Kassenvermögens bereits aufgelöst war und der Streitfall damit im Ergebnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KStG 2002 i.V.m. § 1 Nr. 2 KStDV 1977 und nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c KStG 2002 zu beurteilen wäre. Der BFH kann dahinstehen lassen, ob ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung bei Auflösung der Kasse auch dann vorliegen würde, wenn im Ergebnis –durch Übertragung der Kassenverpflichtungen auf die P-AG– nur der Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung gewechselt worden wäre. Denn von einer Auflösung des Klägers ist jedenfalls nicht bereits im Zeitpunkt der Übertragung des Kassenvermögens zum 1.12.2006 auszugehen. Die Trägerunternehmen haben, indem sie den Vertrag mit der P-AG abgeschlossen haben, faktisch über das Vermögen des Klägers verfügt, ohne dessen Gremien formal einzuschalten. Hieraus kann nicht die sofortige Auflösung des Klägers abgeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar ein Verein liquidationslos erlöschen, wenn sich beispielsweise der Verein über einen längeren Zeitraum aus Interessenlosigkeit der Mitglieder nicht mehr betätigt oder den Vereinszweck tatsächlich aufgegeben hat7. Im Streitfall wird man diese Rechtsfolge aber nicht uno actu mit der Übertragung des Kassenvermögens annehmen können, da der Rechtsprechung des BGH auch zu entnehmen ist, dass eine nur vorübergehende, kurzzeitige Nichtausübung des Vereinszwecks noch nicht zum Verlust des rechtlichen Status führt8. So ist denn auch die Ansammlung begünstigten Kassenvermögens i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG 2002 und damit der Unternehmensgegenstand des Klägers unverändert bestehen geblieben.
Es ist nach alledem nicht weiter darauf einzugehen, ob den Vorschriften in § 6 KStG 2002 zur Überdotierung und § 13 Abs. 2 und 5 KStG 2002 zum Beginn und Ende einer Steuerbefreiung ein allgemeines Prinzip entnommen werden kann, wonach die Überdotierung auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum zum (unterjährigen) Ende der Steuerbefreiung vorzunehmen ist.
Die Sache ist nicht spruchreif. Die im Streitjahr erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen in vollem Umfang der Besteuerung. Da die Steuerbefreiung des Klägers aber nicht nur mit Wirkung für das Streitjahr, sondern auch mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume entfallen ist, sind die geltend gemachten Aufwendungen für die „Auflösung und Abwicklung“ des Klägers nicht mehr als Folgekosten der steuerbefreiten Unterstützungskasse nach § 3c Abs. 1 EStG 2002 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 anzusehen. Das Finanzgericht wird im zweiten Rechtsgang tatsächliche Feststellungen zu Art und Höhe der Aufwendungen für die „Auflösung und Abwicklung“ der Kasse zu treffen haben, die eine Entscheidung ermöglichen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Kosten in einem notwendigen Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Kapitalvermögen stehen oder als Kosten der Beendigung der Einkunftserzielung dem Vermögensbereich zuzuordnen sind.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. November 2012 – I R 78/11
- Bestätigung von BFH, Urteil vom 15.12.1976 – I R 235/75, BFHE 121, 322, BStBl II 1977, 490[↩]
- BFH, Urteil vom 15.12.1976 – I R 235/75, BFHE 121, 322, BStBl II 1977, 490[↩]
- BFH, Urteil vom 20.09.1967 – I 62/63, BFHE 90, 177, BStBl II 1968, 24[↩]
- vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 KStG Rz 88, 95[↩]
- BGBl I 1974, 3610, BStBl I 1975, 22[↩]
- jetzt § 6 Abs. 6 KStG 2002; vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.02.1988 – V K 145/87[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.04.1976 – II ZR 212/74, WM 1976, 686[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.06.1995 – II ZR 282/93, WM 1995, 1446[↩]






