Die Rentenabfindung des Versorgungswerks ist als „andere Leistung“ i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zu besteuern, obwohl sie keine wiederkehrende Leistung i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG ist.
Der Besteuerungsgegenstand der sonstigen Einkünfte des § 22 EStG wird seit dem Inkrafttreten des AltEinkG für die Fallgruppen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst a EStG autonom durch die Begriffe „Leibrenten und andere Leistungen“ in Verbindung mit den nachfolgenden Aufzählungen und Definitionen in den Doppelbuchstaben aa und bb umschrieben. Die „anderen Leistungen“ des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG liegen damit unabhängig davon vor, ob sie entsprechend § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG wiederkehrend sind. Konsequenz ist, dass auch einmalige Kapitalleistungen als „andere Leistungen“ i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerpflichtig sind, sofern die Voraussetzungen von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa oder bb EStG erfüllt sind.
Dieses Ergebnis entspricht dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, da der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG den Steuergegenstand bewusst um „andere Leistungen“ erweitert hat, um Kapitalleistungen besteuern zu können, die andernfalls nicht steuerbar gewesen wären1.
Vor allem entspricht die Besteuerung der Einmalleistungen der berufsständischen Versorgungswerke gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG dem Sinn und Zweck des AltEinkG und den darin normierten grundlegenden Wertungen, zu denen die Einordnung der berufsständischen Versorgung in die Basisversorgung des sog. Drei-Schichten-Modells2, der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung bei der Basisversorgung sowie die Kohortenlösung der Übergangsregelung gehören. Die zutreffende Qualifizierung der berufsständischen Versorgung als Basisversorgung hat zur Folge, dass wegen der nachgelagerten Besteuerung nunmehr nicht nur die „Erträge“ aus dem Vermögen, das aus steuerlich entlasteten Beiträgen aufgebaut wurde, sondern auch der Rückfluss des Altersvorsorgevermögens als solches einschließlich der damit verbundenen Wertsteigerungen vom Gesetzgeber als steuerpflichtiges Einkommen angesehen werden. Demzufolge kann es auf die Form der Auszahlung nicht mehr ankommen, so dass auch einmalige, nicht wiederkehrend erbrachte Leistungen der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG unterliegen3. Alle Leistungen der Basisversorgung -einschließlich der Kapitalleistungen der berufsständischen Versorgungswerke- sind zwingend in die Kohortenlösung der Übergangsregelung einzubeziehen, welche die unterschiedlichen Altersversorgungssysteme in das System der nachgelagerten Besteuerung überführt4.
Die Besteuerung der Kapitalleistung verstößt im Streitfall nicht gegen das Verbot der Doppelbesteuerung.
In seinem Urteil vom 06.03.2002 forderte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber auf, die steuerliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen „in jedem Fall“ so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird, ohne jedoch den Begriff „doppelte Besteuerung“ zu konkretisieren5.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesfinanzhofs ist eine doppelte Besteuerung gegeben, wenn die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen höher ist als die steuerliche Entlastung der Renten, dabei gilt grundsätzlich das Nominalwertprinzip6. Bei der Ermittlung der steuerlichen Belastung der Aufwendungen ist der Sonderausgabenabzug anhand der Beitragssätze der gesetzlichen Sozialversicherung aufzuspalten. In die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rentenzahlungen sind die bisher vereinnahmten sowie die der statistischen Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Leistungen einzubeziehen. Weiterhin sind in die Berechnung die bislang erhaltenen und entsprechend der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartenden Rentenzahlungen einzubeziehen.
Die bezogene Rentenabfindung kann gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert werden, weil sie eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten darstellt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Oktober 2013 – X R 11/12
- vgl. BT-Drs. 15/3004, 19[↩]
- vgl. hierzu den Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen -BMF-, Bd. 74, S. 9 f.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 25.03.2010 – X B 142/09, BFH/NV 2010, 1275, unter II. 2.e, in Bezug auf einmalige Leistungen einer ausländischen gesetzlichen Rentenversicherung[↩]
- vgl. hierzu ausführlich das BFH, Urteil vom 23.10.2013 – X R 3/12, unter II. 1.[↩]
- BVerfG, Urteil vom 06.03.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, unter D.II.[↩]
- siehe auch BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 – 2 BvL 14/02, 2/04, 13/05, BVerfGE 127, 1, unter C.III. 2.c[↩]