Die im Bereich der Versicherungsvermittlung (§ 59 Abs 1 VVG) notwendige Unterscheidung zwischen Versicherungsvertretern (§ 59 Abs 2 VVG) und Versicherungsmaklern (§ 59 Abs 3 VVG) ist für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht eines selbständigen Tätigen unbeachtlich, da beide nicht Partei des von ihnen vermittelten Vertrages werden und damit sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherer als Auftraggeber iSd § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI ausscheiden.
Ein Versicherungsvermittler unterliegt damit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sofern er in seiner selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter als „arbeitnehmerähnlicher“ Selbstständiger anzusehen ist, weil er im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit keinen (versicherungspflichtigen) Arbeitnehmer beschäftigt, die bis 1. Mai 2007 bestimmte Entgeltgrenze von 400 € überschritten hat und für ein Versicherungsunternehmen als einzigen Auftraggeber tätig war. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einbeziehung eines derartigen Versicherungsvertreters in die Rentenversicherungspflicht bestehen nicht1.
Nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Art 4 Nr 1 Buchst a DBuchst aa des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 20022 sind versicherungspflichtig selbstständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400 € im Monat übersteigt, und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Später hat der Gesetzgeber § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst b SGB VI (mit Wirkung vom 1. Juli 2006) um den Halbsatz ergänzt, dass bei Gesellschaftern als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft gelten3. Ferner ist die Entgeltgrenze von 400 € in § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst a SGB VI mit Wirkung ab 1. Mai 2007 entfallen4. Seitdem gilt, dass versicherungspflichtig selbstständig tätige Personen sind, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind.
In dem hier vom Landessozialgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall ist damit nach dem zwischen dem Kläger und der C.-GmbH geschlossenen Vertriebspartnervertrag ist der Kläger als Handelsvertreter anzusehen. Dies ergibt sich nicht nur aus den Regelungen des Vertrages, in dem ausdrücklich vereinbart wird, dass der Kläger als selbständiger Gewerbetreibender die Tätigkeit eines Handelsvertreters gemäß den §§ 84 ff. HGB für C. ausübt. Der Kläger war auch faktisch sowie nach den übrigen vertraglichen Bestimmungen damit betraut, Versicherungsverträge, Kapitalanlagen und sonstige Produkte für C. und deren Kooperationsgesellschaften zu vermitteln (§ 1), wobei er „in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Bestimmung seines Ortes und seiner Arbeitszeit“ frei war (§ 2 Abs 2), und dies nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, darf im Sozialversicherungsrecht an den Begriff der Selbstständigkeit im HGB jedenfalls dann angeknüpft werden, wenn er wie beim Handelsvertreter den gleichen Inhalt hat5. Darüber hinaus spricht auch die Art der Vergütung und das damit für den Kläger verbundene wirtschaftliche Risiko für die Annahme von Selbständigkeit und das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Der Kläger erhält kein festes Gehalt, sondern sog Courtagen. Courtageansprüche stehen ihm dabei nur aus Verträgen zu, die von den Kooperationspartnern der C. GmbH angenommen worden sind. Ansprüche auf Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bestehen nicht.
Einziger Auftraggeber des ohne (versicherungspflichtigen) Arbeitnehmer (§ 2 Satz 1 Nr 9 Buchst a SGB VI) selbstständig tätigen Klägers war im streitigen Zeitraum die C.-GmbH. Denn nach dem vorgelegten Umschulungsvertrag beschäftigt der Kläger auch nach dem 26. November 2010 keine Arbeitnehmerin mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt von mehr als 400 €. Zwar kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass der beschäftigte Arbeitnehmer unmittelbar seine „berufsbezogene“ Tätigkeit zumindest teilweise unterstützt und auch regelmäßig beschäftigt wird. Für den Eintritt der Rentenversicherungspflicht des Selbständigen ist aber die Höhe des regelmäßig gewährten monatlichen Arbeitsentgelts entscheidungserheblich, welches vom selbständig Tätigen an den Beschäftigten gezahlt wird6. Nur wenn der Arbeitnehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Selbständigen ein Arbeitsentgelt von mehr als 400 EUR erhält, unterliegt der selbständig Tätige nicht der Rentenversicherungspflicht (§ 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV)). Daran fehlt es bei der von dem Kläger angestellten Umzuschulenden, die lediglich ein Bruttoentgelt von 400 EUR bezieht. Insofern wird ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer nicht beschäftigt.
Für die C.-GmbH allein war der Kläger im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 9 Buchst b SGB VI – im Hinblick auf die zeitliche Perspektive und den Charakter seiner Handelsvertretertätigkeit – auf Dauer tätig. Nachweise dafür, dass der Kläger auch für andere Auftraggeber in einem nennenswerten Umfang tätig ist, hat er dem Senat innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht vorgelegt. Ohnehin wird die Tätigkeit im Wesentlichen nur dann für einen Auftraggeber ausgeübt, wenn der Selbständige mindestens 5/6 seiner gesamten Betriebseinnahmen aus der zu beurteilenden Tätigkeit allein für seinen Auftraggeber bezieht7.
Weil der Kläger als Handelsvertreter nicht selbst Partei des mit seinen Kunden zustande kommenden Vertrags geworden ist, kommen diese als Auftraggeber von vornherein nicht in Betracht8. Aus diesem Grund kann auch offen bleiben, ob der Kläger, soweit er als Versicherungsvermittler tätig wird, als Handelsvertreters eines Versicherungsmaklers – der C.-GmbH – selbst als Versicherungsmakler im Sinne des § 59 Abs 3 VVG anzusehen ist9. Auch in dieser Eigenschaft wird er nicht Partei des von ihm (über die C.-GmbH) vermittelten Vertrages. Die im Bereich der Versicherungsvermittlung (§ 59 Abs 1 VVG) notwendige Unterscheidung zwischen Versicherungsvertretern (§ 59 Abs 2 VVG) und Versicherungsmaklern (§ 59 Abs 3 VVG) ist für die Beurteilung der Rentenversicherungspflicht eines selbständigen Versicherungsvermittler iS des § 59 Abs 1 VVG unbeachtlich, da beide nicht Partei des von ihnen vermittelten Vertrages werden und damit sowohl der Versicherungsnehmer als auch der Versicherer als Auftraggeber im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI ausscheiden.
Die Rentenversicherungspflicht für die selbständige Tätigkeit bei der C.-GmbH bestand auch in der Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. September 2008. Während dieser Zeit war der Kläger auch als Arbeitnehmer bei der LBV-Unternehmensberatungsdienste GmbH beschäftigt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Rentenversicherungsrecht, dass, wenn nebeneinander verschiedene rentenversicherungsrechtlich bedeutsame Sachverhalte vorliegen, das Bestehen von Versicherungspflicht (oder Versicherungsfreiheit bzw Versicherungsbefreiung) hinsichtlich des einen Sachverhalts grundsätzlich keine Wirkung für den anderen Sachverhalt hat, jeder Sachverhalt mithin, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, selbstständig zu beurteilen ist und es deshalb zulässigerweise zu Mehrfachversicherungen und mehrfacher Beitragspflicht kommen kann10.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Februar 2011 – L 11 R 2461/10
- vgl ua BSG, Urteil vom 02.03.2010 – B 12 R 10/09 R[↩]
- BGBl I 4621[↩]
- vgl Art 11 Nr 1 Buchst a des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 vom 29.06.2006, BGBl I 1402[↩]
- vgl Art 1 Nr 2 Buchst b des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007, BGBl I 554[↩]
- BSG, Urteil vom 10.05.2006 – B 12 RA 2/05 R, SozR 4-2600 § 2 Nr 8[↩]
- vgl Pietrek, juris-PK § 2 SGB VI Rdnr 186; BSG, Urteil vom 23.11.2005 – B 12 RA 15/04 R, SozR 4-2600 § 2 Nr 5[↩]
- so Pietrek aaO unter Bezugnahme auf LSG Saarland, Urteil vom 1.12.2005 – L 1 RA 11/04[↩]
- BSG, Urteil vom 04.11.2009 – B 12 R 7/08 R[↩]
- so Dörner in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz 28. Aufl 2010, § 59 RdNr 43 unter Hinweis auf BT-Drucks 16/1935 S 23[↩]
- BSG, Urteile vom 04.11.2009 – B 12 R 7/08 R; und 02.03.2010 – B 12 R 10/09[↩]