Keine Witwenrente für die nichteheliche Lebensgefährtin

Die Auslegung des Begriffs „Witwe“ in § 46 SGB VI dahingehend, dass nur die Überlebende einer zivilrechtlich geschlossenen Ehe hierunter zu verstehen sei, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Bundesverfassungsgericht prüft die Auslegung und die Anwendung einfachen Rechts nur darauf, ob sie Auslegungsfehler enthält, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte beruhen, und ob sie willkürlich ist1.

Dies ist hier nicht Fall. Zum einen ist die Auslegung des Sozialgerichts nicht willkürlich. Die Beschwerdeführerin geht selbst und zu Recht davon aus, dass die deutschen Gesetze – hier konkret § 46 SGB VI – unter „Witwe“ nur den Überlebenden einer – hier unstreitig nicht vorliegenden – zivilrechtlich wirksam geschlossenen Ehe verstehen2. Diese Auslegung des einfachen Rechts liegt auch der Rechtsprechung der Bundesverfassungsgerichts zugrunde3.

Sie ist zum anderen auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass es dem Gesetzgeber wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe, den Art. 6 Abs. 1 GG anordnet, nicht verwehrt ist, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen4. Dies gilt insbesondere im Verhältnis der Ehe zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften5; sie fallen nicht unter den Begriff der Ehe6. Daher ist es gerechtfertigt, die Partner im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod besser zu stellen als Menschen, die in weniger verbindlichen Paarbeziehungen zusammenleben7. Dem entspricht die Nichteinbeziehung von überlebenden nichtehelichen Lebensgefährten in die Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung.

Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 4 und Abs. 5 GG, deren Verletzung die Beschwerdeführerin rügt. Art. 6 Abs. 4 GG betrifft nur Situationen, in denen die Mutter Nachteile erleidet, die auf ihre Mutterschaft zurückzuführen sind8, nicht aber Regelungen für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen9. Der Ausschluss nichtehelicher Partner von der Hinterbliebenenrente in § 46 SGB VI knüpft aber weder an die Mutterschaft an noch betrifft er ausschließlich Mütter. Art. 6 Abs. 5 GG schließlich begünstigt nur nichteheliche Kinder, nicht aber deren Eltern10.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. November 2010 – 1 BvR 1883/10

  1. vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f.; 85, 248, 257 f.; 108, 351, 365[]
  2. vgl. etwa BSGE 53, 137, 138; BSG, Urteil vom 30.03.1994 – 4 RA 18/93, NJW 1995, 3270, 3271; Löns, in: Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 46 Rn. 4[]
  3. vgl. BVerfGE 112, 50, 65[]
  4. vgl. BVerfGE 6, 55, 76; 105, 313, 348; 124, 199, 225; BVerfGK 12, 169, 175, 177[]
  5. vgl. BVerfGE 117, 316, 327[]
  6. vgl. BVerfGE 36, 146, 165; 82, 6, 15; 112, 50, 65; BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2003 – 1 BvR 1587/99, NJW 2003, 3691[]
  7. vgl. BVerfGE 124, 199, 225[]
  8. vgl. BVerfGE 60, 68, 74[]
  9. vgl. BVerfGE 87, 1, 42; 94, 241, 259; Aubel, Der verfassungsrechtliche Mutterschutz, 2003, S. 177 ff.[]
  10. vgl. BVerfGE 79, 203, 209; 112, 50, 67[]