Die Regelung in einer betrieblichen Hinterbliebenenversorgung, wonach zwar grundsätzlich ein Witwengeld gezahlt wird, dieses jedoch ausgeschlossen ist, wenn die Ehe erst während des Ruhegeldbezuges geschlossen wird, ist wirksam. Dies gilt auch für den Fall der Wiederverheiratung.
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist eine solche Klausel in der Versorgungsordnung nicht dahin auszulegen, dass es im Falle der Wiederheirat desselben Ehepartners für den Ausschlusstatbestand auf die erste Eheschließung ankommt. Vielmehr ist der Anspruch auf Witwenversorgung dann ausgeschlossen, wenn die Witweneigenschaft aus einer Ehe herrührt, die während des Ruhegeldbezugs geschlossen wurde.
Bei den Regelungen der Versorgungsordnung handelt es sich um typische Willenserklärungen, die der unbeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegen1. Im Verhältnis zwischen dem Versorgungsleistungen nach der Versorgungsordnung zusagenden Arbeitgeber und dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer sowie dem gemäß § 328 Abs. 1 BGB begünstigten Hinterbliebenen des Arbeitnehmers2 stellen die Regelungen der Versorgungsordnung als einseitig vom Arbeitgeber vorgegebene Versorgungsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB dar. Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten3.
Nach dem Wortlaut der Versorgungsordnung haben keinen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung „Witwen/Witwer aus Ehen“, die während des Ruhegeldbezugs geschlossen wurden. Da eine Witwe bzw. ein Witwer nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Person ist, deren Ehepartner verstorben ist4, kann Witwe/Witwer aus einer Ehe, die während des Ruhegeldbezugs des Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, nur sein, deren/dessen Witwen-/Witwereigenschaft aus der Ehe herrührt, die während des Ruhegeldbezugs des Versorgungsberechtigten eingegangen wurde.
Sinn und Zweck der Versorgungsordnung bestätigen diese Auslegung. Der dort enthaltene Ausschluss von der Witwen-/Witwerversorgung dient dem Ziel, den Kreis der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen auf Personen zu beschränken, hinsichtlich derer der Versorgungsbedarf noch vor dem Bezug von Ruhegeld durch den versorgungsberechtigten Mitarbeiter angelegt war. Sieht eine Klausel vor, dass ein zugesagtes Witwengeld nicht gezahlt wird, wenn die Ehe erst während des Ruhegeldbezugs des Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, will der Arbeitgeber erkennbar seine Leistungspflichten auf Risiken begrenzen, die vor diesem Zeitpunkt bereits angelegt waren und vermeiden, dass ein bislang nicht angelegtes Versorgungsrisiko später geschaffen wird5. Im Falle einer Scheidung und einer erneuten Heirat kann sich das in der ersten Ehe angelegte Versorgungsrisiko nicht mehr realisieren, sondern nur das aus der letzten Ehe folgende Versorgungsrisiko. Dies gilt auch dann, wenn die erneute Heirat mit dem früheren Ehepartner erfolgt. Auch dann kann sich das in der ersten Ehe angelegte Versorgungsrisiko nicht mehr verwirklichen; vielmehr wird mit der weiteren Ehe ein neues Versorgungsrisiko begründet. Auch dieses Versorgungsrisiko will der Arbeitgeber nicht übernehmen, wenn die weitere Ehe erst während des Ruhegeldbezugs geschlossen wird.
Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 15. Oktober 2013 – 3 AZR 707/11
- vgl. zur Leistungsordnung des Bochumer Verbandes, der wie der Essener Verband einheitliche Versorgungsrichtlinien für die ihm zugehörigen Mitgliedsunternehmen aufstellt BAG 20.04.2010 – 3 AZR 553/08, Rn. 27[↩]
- dazu, dass die Hinterbliebenenversorgung auf einem Vertrag zugunsten Dritter iSd. § 328 Abs. 1 BGB beruht, vgl. BAG 13.11.2012 – 3 AZR 444/10, Rn. 43; 26.08.1997 – 3 AZR 235/96, zu A II 1 der Gründe, BAGE 86, 216[↩]
- vgl. BAG 13.11.2012 – 3 AZR 557/10, Rn.20; 17.04.2012 – 3 AZR 803/09, Rn. 36[↩]
- vgl. nur Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. S. 1667[↩]
- vgl. für den Fall einer auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellenden Spätehenklausel BAG 20.04.2010 – 3 AZR 509/08, Rn. 73 ff., BAGE 134, 89; vgl. für den Fall einer auf die Vollendung des 50. Lebensjahres abstellenden Spätehenklausel BAG 28.07.2005 – 3 AZR 457/04, zu II 2 a bb (1) der Gründe, BAGE 115, 317[↩]