Der Erwerb eines Anspruchs aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Erblassers mit dessen Einverständnis abgeschlossenen Direktversicherung unterliegt der Erbschaftsteuer, wenn der Bezugsberechtigte nicht die persönlichen Voraussetzungen für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers erfüllt.
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Diese Vorschrift ist auch auf den Erwerb eines Anspruchs auf eine Einmalzahlung aus einer vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer zugunsten des Erblassers mit dessen Einverständnis abgeschlossenen Direktversicherung anwendbar, wenn der Bezugsberechtigte nicht die in §§ 46 bis 48 SGB VI bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers erfüllt.
Die Besteuerung kann in diesem Fall allerdings nicht unmittelbar auf den Versicherungsvertrag gestützt werden. Diesen hat nämlich bei der Direktversicherung nicht wie von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG vorausgesetzt der Erblasser abgeschlossen. Maßgebend ist vielmehr der vom Erblasser abgeschlossene Arbeitsvertrag, der aufgrund des Einverständnisses des Erblassers mit dem Abschluss der Direktversicherung eine Änderung erfahren hat, die ihrerseits Voraussetzung für den Abschluss der Direktversicherung durch den Arbeitgeber und für die Begründung des Leistungsanspruchs aus der Versicherung war. Dies genügt, um § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG anwenden zu können.
Der Erwerb des Anspruchs aus einer Direktversicherung unterliegt der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wenn der Bezugsberechtigte die in §§ 46 bis 48 SGB VI bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers nicht erfüllt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unterliegen Ansprüche auf eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung, die Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers zustehen, nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer, und zwar unabhängig davon, ob die Ansprüche durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, eine Ruhegeldordnung, betriebliche Übung, den Gleichbehandlungsgrundsatz oder Einzelvertrag begründet wurden1.
Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung erbschaftsteuerrechtlich nicht anders behandelt werden sollen als die Bezüge, die Hinterbliebene kraft Gesetzes erhalten, wie insbesondere die Bezüge, die den Hinterbliebenen von gesetzlich rentenversicherten Arbeitnehmern und von Beamten, Berufssoldaten und Richtern zustehen und bereits dem Wortlaut nach nicht dem § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterfallen. Der (möglicherweise) zu weite Wortlaut der Vorschrift ist ggf. entsprechend einzuschränken (teleologische Reduktion). Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist mit dem Grundgesetz vereinbar2.
Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG kann nicht auf einen Anspruch aus einer Direktversicherung erstreckt werden, wenn der Bezugsberechtigte die in §§ 46 bis 48 SGB VI bestimmten persönlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des verstorbenen Arbeitnehmers nicht erfüllt. In einem solchen Fall ist es unter Berücksichtigung der Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gerechtfertigt, den Anspruch aus der Direktversicherung aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG auszunehmen. Vielmehr ist es in diesem Fall geboten, den Anspruch nicht anders zu behandeln als den Anspruch aus einer vom Arbeitnehmer selbst abgeschlossenen Lebensversicherung. Von einem berechtigten, die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ausschließenden Interesse des Erblassers an der Versorgung des Bezugsberechtigten kann in diesem Fall nämlich aufgrund der typisierenden Betrachtungsweise, die der Abgrenzung der zum Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berechtigten Hinterbliebenen gemäß §§ 46 bis 48 SGB VI zugrunde liegt, nicht ausgegangen werden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Dezember 2013 – II R 55/12
- BFH, Urteile vom 20.05.1981 – II R 11/81, BFHE 133, 426, BStBl II 1981, 715; und vom 20.05.1981 – II R 33/78, BFHE 134, 156, BStBl II 1982, 27; seither ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 13.12 1989 – II R 31/89, BFHE 159, 223, BStBl II 1990, 325; vom 13.12 1989 – II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl II 1990, 322; vom 15.07.1998 – II R 80/96, BFH/NV 1999, 311; vom 16.01.2008 – II R 30/06, BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626, unter II.B.1; und vom 05.05.2010 – II R 16/08, BFHE 230, 188, BStBl II 2010, 923, Rz 15; BFH, Beschluss vom 24.05.2005 – II B 40/04, BFH/NV 2005, 1571[↩]
- BVerfG, Beschlüsse vom 09.11.1988 – 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, BStBl II 1989, 938; und vom 05.05.1994 – 2 BvR 397/90, BStBl II 1994, 547[↩]