Betriebsrentenanpassung – und die Überschussbeteiligung bei der Pensionskasse

Die Neufassung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.20151 verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Unionsrecht.

Die Verteilung des Überschusses muss einem verursachungsorientierten Verfahren folgen. Eine verursachungsgerechte, individuelle Zuordnung der Überschüsse zu einzelnen Versicherungsnehmern ist daher nicht erforderlich. Der Versicherer darf gleichartige Verträge zu Bestandsgruppen und Gewinnverbänden zusammenfassen2. Die Verteilung des Überschusses orientiert sich am Beitrag der Gruppe oder des Verbands an der Entstehung des Überschusses. Es genügt, wenn der Versicherer alle Verträge sachgerecht in einzelne Gruppen unterteilt und den Rohüberschuss entsprechend der Überschussverursachung den jeweiligen Gruppen zuordnet. Der einzelne Vertrag erhält dann den rechnerischen Anteil am Betrag seiner Gruppe3.

Dies gilt auch für den Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes4 B.V.V., einer privaten Pensionskasse. Die vom BVV gebildeten Abrechnungsverbände und innerhalb dieser die jeweiligen Gewinnverbände – soweit sie vorliegend von Interesse sind – erfüllen diese Voraussetzungen.

Es werden unterschiedliche Abrechnungsverbände gebildet nach den unterschiedlichen Tarifen und den in diesen vereinbarten Rechnungszinsen. Eine solche Zusammenfassung ist notwendig, da verschiedene Gruppen von Versicherungsnehmern unterschiedlich zur Überschusserwirtschaftung beitragen. Es ist deshalb erforderlich, sie auch bei der Überschussbeteiligung unterschiedlich zu behandeln5. Verträge mit niedrigerem Garantiezins tragen in höherem Maße zu der Erwirtschaftung eines Überschusses bei, da der Überschuss nicht durch den Garantiezins geschmälert wird und zudem niedrigere Garantiezinsen risikoreichere Anlagen ermöglichen, die potentiell zu höheren Erträgen führen6. Daher wäre eine Zusammenfassung von Verträgen mit unterschiedlichem Garantiezins nicht sachgerecht. Es würden Überschüsse, die nur von einem Teil der Verträge erwirtschaftet wurden, auf alle verteilt.

Innerhalb des Abrechnungsverbands Alttarif, zu dem auch der Vertrag der Arbeitnehmerin gehört, werden getrennte Gewinnverbände für die Stammrentenbausteine bis 2004 und ab 2005 gebildet. In diesen Gewinnverbänden werden Versicherungsverträge mit gleichen Merkmalen hinsichtlich Risiko sowie Zins, Biometrie7 und Kosten zusammengefasst. Alle zusammengefassten Verträge versichern das Invaliditäts, Alters- und Todesfallrisiko und haben damit eine enge Verbindung zueinander. Innerhalb dieser Gewinnverbände erfolgt eine Zuordnung der Überschüsse anteilig zu jedem einzelnen Vertrag.

Die Zusammenfassung in Abrechnungs- und Gewinnverbände ist damit im versicherungsrechtlichen Sinne verursachungsorientiert und erfüllt folglich die Voraussetzung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG, wonach sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden müssen.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Tarife DA und B in einem Abrechnungsverband zusammengefasst wurden. Es handelt sich bei diesen Tarifen zwar nicht um vollständig gleichartige Versicherungen, was die Verteilung der Überschussanteile auf die jeweiligen in den Versicherungsbedingungen vorgesehenen Leistungsarten angeht, wohl aber, soweit es die Beteiligung am erwirtschafteten Gewinn betrifft. Lediglich die Überschusszuteilung ist in beiden Tarifen unterschiedlich ausgestaltet. Für den Tarif B ist in § 34 Abs. 2 der Versicherungsbedingungen die Möglichkeit vorgesehen, Überschussanteile auch für Sterbegeld zu verwenden8. Diese Möglichkeit besteht im Tarif DA nicht. Das Sterbegeld stellt keine betriebliche Altersversorgung dar, denn es soll nicht den Wegfall von Arbeitseinkommen nach Eintritt des Versorgungsfalls – hier Tod – kompensieren, sondern dient typischerweise der Deckung eines anlassbezogenen Aufwandes wie zB der Beerdigungskosten9.

Damit werden zwar Verträge zusammengefasst, die sich in der Verteilung der Überschüsse auf unterschiedliche Versicherungsleistungen unterscheiden. Für den Tarif B sind daher auch die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht erfüllt, weil nicht sämtliche Überschussanteile für die Erhöhung der laufenden Leistungen verwandt werden. Hierin liegt aber dennoch eine sachgerechte Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt der Überschussverteilung. Hinsichtlich des Anteils an den erzielten Überschüssen ähneln sich die Verträge. Sie enthalten denselben Garantiezins, sind im ähnlichen Zeitraum abgeschlossen worden, beruhen auf denselben Sterbetafeln und versichern dieselben Risiken. Die Verteilung der Überschüsse erfolgt dann heruntergerechnet auf den einzelnen Vertrag. Es ist daher unerheblich, dass in einem Fall der gesamte Überschuss zur Absicherung des Langlebigkeits, Invaliditäts- und des Todesfallrisikos verwandt wird, in dem anderen Fall dagegen keine komplette Zuweisung des Überschusses zu diesen Risiken vorgenommen wird10. Den Betriebsrentnern mit Verträgen, die ausschließlich Langlebigkeits, Invaliditäts- und das Todesfallrisiko absichern, geht nichts verloren, wenn ein auf den einzelnen Vertrag verursachungsorientiert verteilter Überschuss für einen anderen Betriebsrentner auch für andere Leistungen verwandt wird.

Die Anwendung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in der derzeit geltenden Fassung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Es liegt weder eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung vor, noch kann sich die Arbeitnehmerin erfolgreich auf eine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung hinsichtlich der Vertrauensschutzregelung in § 30c Abs. 1a BetrAVG berufen.

Eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in seiner derzeit geltenden Fassung und von § 30c Abs. 1a BetrAVG liegt nicht vor.

Die Rechtsentwicklung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG hin zu seiner derzeit geltenden Fassung und seiner zeitlichen Anwendbarkeit, soweit sich die materielle Rechtslage dabei geändert hat, stellt sich wie folgt dar:

Die Bestimmung wurde durch Art. 8 Nr. 17 Buchst. c des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16.12.199711 eingeführt und trat nach Art. 33 Abs. 1 am 1.01.1999 ohne eine Übergangsregelung in Kraft. Nach der seinerzeitigen Fassung entfiel die Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung ua. über eine Pensionskasse, wenn „ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistung verwendet werden und zur Berechnung der garantierten Leistung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Versicherungsaufsichtsgesetzes festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten wird“.

Ziel der gesetzlichen Neuregelung war, die Erhaltung und Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu gewährleisten und zu verbessern und damit das Gesamtsystem der betrieblichen Altersversorgung auch für die Zukunft aufrechtzuerhalten. § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG sollte den Arbeitgebern Kalkulationssicherheit gewährleisten. Da Pensionskassen nur vorsichtig kalkulierte Renten vertraglich zusagen dürften und durch die Festlegung eines Höchstrechnungszinses für die Anwendbarkeit der Neuregelung liege „nach heutigem Erkenntnisstand“ eine gleichwertige Alternative zur Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vor12.

Das Bundesarbeitsgericht erkannte13, dass die Bezugnahme auf den Höchstrechnungszins in der seinerzeitigen Vorschrift bedeute, dass die Einschränkung nicht für Fälle gelte, in denen die Versorgungszusage vor dem 16.05.1996 erteilt wurde. Das war der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Deckungsrückstellungsverordnung, mit der der Höchstrechnungszinssatz nach dem in der seinerzeitigen Fassung des Gesetzes genannten § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a VAG festgelegt wurde14.

Zeitnah nach Bekanntwerden der Entscheidungsgründe des Urteils im Februar 2015 legte die Bundesregierung im Sommer 2015 einen Gesetzentwurf vor, der bereits neben der Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie die Korrektur das Bundesarbeitsgerichtsrechtsprechung zu § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG zum Gegenstand hatte. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.08.201515 mündete in das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.20151, das am 30.12.2015 verkündet wurde und hinsichtlich der Neuregelung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nach Art. 4 Satz 2 des Gesetzes bereits am 31.12.2015 in Kraft trat. Diese Neuregelung sah nach Art. 1 Nr. 7 vor, dass die Bezugnahme auf den Rechnungszins nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz ersatzlos entfiel.

Durch die Änderung sollte bewirkt werden, dass die Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht bereits dann entfällt, wenn bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung ua. über eine Pensionskasse, diese sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der Betriebsrenten verwendet. Es war beabsichtigt, den betroffenen Arbeitgebern die notwendige Planungssicherheit zu geben, ohne die der angestrebte Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung gefährdet wäre16.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.12.201617 entschieden, dass diese Änderung keine Auswirkungen auf Anpassungsstichtage vor dem 31.12.2015, dem Inkrafttreten der Streichung des maßgeblichen Tatbestandsmerkmals, hatte, sondern sich nur auf spätere Anpassungsstichtage auswirkte.

Diese Entscheidung nahm der Gesetzgeber zum Anlass, im laufenden Gesetzgebungsverfahren zum Betriebsrentenstärkungsgesetz eine Ergänzung von § 30c BetrAVG aufzunehmen. Mit der Einfügung von § 30c Abs. 1a BetrAVG wurde bestimmt, dass die Neuregelung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG auch für Anpassungszeiträume gilt, deren jeweilige Prüfungsstichtage vor dem 1.01.2016 liegen, soweit nicht bereits eine Anpassung erfolgt oder eine darauf zielende Klage erhoben wurde. Damit sollte die rückwirkende Anwendung der Änderung ausdrücklich geregelt werden, soweit nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten Fälle ausgenommen wurden18. Die Änderung trat nach Art. 1 Nr. 15 iVm. Art. 17 Abs. 2 des Betriebsrentenstärkungsgesetzes am Tage nach seiner Verkündung am 24.08.2017 in Kraft19.

Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist zu unterscheiden, zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung.

Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen20.

Eine echte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn es um eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen geht, also die zeitliche Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf abgeschlossene Tatbestände21.

Eine solche echte Rückwirkung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig22. Dieses grundsätzliche Verbot der Rückbewirkung von Rechtsfolgen schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte23.

Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes indes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze24. Es gilt nicht, soweit sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte25 oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig war26.

Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage27. Diese Falltypen sind Ausprägungen des Grundgedankens, dass allein zwingende Gründe des gemeinen Wohls oder ein nicht – oder nicht mehr – vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots zugunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen oder gar erfordern können. Die Kategorie der „echten“ Rückwirkung findet ihre Rechtfertigung darin, dass mit ihr eine Fallgruppe gekennzeichnet ist, in der der Vertrauensschutz regelmäßig Vorrang hat, weil der in der Vergangenheit liegende Sachverhalt mit dem Eintritt der Rechtsfolge kraft gesetzlicher Anordnung einen Grad der Abgeschlossenheit erreicht hat, über den sich der Gesetzgeber vorbehaltlich besonders schwerwiegender Gründe nicht mehr hinwegsetzen darf28.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen ist anerkanntermaßen gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten29. Vertrauensschutz kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste30, oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden31. Dasselbe gilt, wenn im Laufe der Zeit32 ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei33. Der Vertrauensschutz muss ferner zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern34, wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte31 oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (sog. Bagatellvorbehalt; vgl. BVerfG 10.02.2021 – 2 BvL 8/19, Rn. 143 mwN, BVerfGE 156, 354; 17.12.2013 – 1 BvL 5/08 – aaO).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind die hier in Betracht kommenden gesetzlichen Regelungen nicht zu beanstanden.

Das gilt zunächst für die Einführung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in seiner Ursprungsfassung. In Betracht kommt insoweit allenfalls eine unechte Rückwirkung, weil für bestehende Versorgungszusagen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, soweit sie ab dem 16.05.1996 erteilt wurden, die Aussicht entfiel, nach dem Versorgungsfall eine Anpassung nach der bisherigen Rechtslage zu erhalten. Die Regelung ist aber in verhältnismäßiger Weise durch das Ziel gedeckt, Erhaltung und Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu gewährleisten. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, durch die Begrenzung der Anpassungsprüfungspflicht auch für bereits bestehende Versorgungszusagen Schließungen von Versorgungswerken zu verhindern und damit den Bestand der betrieblichen Altersversorgung zu gewährleisten. Da dies lediglich solche Personen betraf, die Aussicht auf Überschussanteile ua. einer Pensionskasse hatten, war der Eingriff auch verhältnismäßig. Er ging nicht über das gesetzgeberische Ziel hinaus.

Gleiches gilt für die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ausnahmevorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie im Jahre 2015. Hier wurde der Anwendungsbereich zwar erweitert, indem nunmehr für entsprechende Versorgungszusagen ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Erteilung – nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts künftig – keine Anpassungsprüfung mehr gefordert war. Auch wurde die Begrenzung des zulässigen Rechnungszinses, für die unter die Regelung fallenden Versorgungszusagen abgeschafft, so dass es keinen Bezug mehr zwischen der Abschaffung der Anpassungsprüfungspflicht in diesen Fällen und der zu erwartenden Überschussbeteiligung gab. Trotzdem setzte der Gesetzgeber in erweiterter Weise seine Konzeption aus der ursprünglichen Gesetzesänderung um und verfolgte damit das Ziel, den Bestand von Versorgungswerken und damit die Erhaltung der betrieblichen Altersversorgung zu gewährleisten. Die damit verbundenen weiteren Eingriffe waren deshalb ebenfalls verhältnismäßig.

Schließlich erweist sich auch die Einfügung von § 30c Abs. 1a BetrAVG als zulässig.

Mit dieser Regelung wurde bewirkt, dass – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – die Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht auch entfiel, wenn der Anpassungsstichtag vor dem 1.01.2016 und damit auch vor dem nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgeblichen 31.12.2015 liegt. Da das Gesetz erst am 24.08.2017 in Kraft trat, liegt eine Rückwirkung vor. Zumindest soweit es die Verpflichtung betrifft aufgrund von Anpassungen, die vor dem 31.12.2015 hätten durchgeführt werden müssen, Leistungen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu erbringen, kommt auch eine echte Rückwirkung in Betracht.

Das kann jedoch dahinstehen. Denn auch eine solche echte Rückwirkung wäre verfassungsrechtlich zulässig. Die Normunterworfenen konnten aus der gesamten Rechtsentwicklung schließen, dass es dem Gesetzgeber wichtig war, bei Durchführung der betrieblichen Altersversorgung ua. durch eine Pensionskasse dann, wenn die Überschussanteile den Betriebsrentnern zugutekommen, die Anpassungsprüfungspflicht auszuschließen. Ihnen musste deshalb klar sein, dass er dieses Ziel mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch dann konsequent weiterverfolgen würde, wenn dies eine Korrektur von Rechtsprechung erforderte.

Seit dem Bekanntwerden des Entwurfs zum Rentenreformgesetz 1999 vom 24.06.199735 war erkennbar, dass der Gesetzgeber für die genannten mittelbaren Durchführungswege den Entfall der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG vorgesehen hat. Das Rentenreformgesetz 1999 sah insoweit keine „echte“ Rückwirkung vor. Schon als dem Gesetzgeber durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.09.201413 klar wurde, dass die Neuregelung nur einen Teil der Versorgungszusagen erfasste, handelte er sowohl schnell als auch weitgehend konsequent und erweiterte im Wege unechter Rückwirkung sowohl den zeitlichen als auch den sachlichen Anwendungsbereich von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG. Damit war es naheliegend, dass der Gesetzgeber – aus seiner Sicht klarstellend36 – auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.201637 korrigieren würde und zwar auch hinsichtlich bereits bestehender Ansprüche.

Die Regelung ist auch verhältnismäßig. In den Fällen, in denen die Anpassungsprüfung bereits zu einer Anpassung geführt hat, und in dem Fall, in dem der Versorgungsberechtigte gegen eine unterbliebene Anpassung vor dem 1.01.2016 – dem Tag nach dem Inkrafttreten des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in seiner jetzigen Fassung – Klage erhoben hat, haben sich die Ansprüche aus der Anpassungsentscheidung schon konkretisiert. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit sind diese aus der Rückwirkung ausgenommen worden.

Vorliegend kann dahinstehen, ob die Vertrauensschutzregelung in § 30c Abs. 1a BetrAVG – wie die Arbeitnehmerin meint – gleichheitswidrig nach Art. 3 Abs. 1 GG ist, soweit sie dazu führt, dass Versorgungsberechtigte, die die Anpassung ihrer laufenden Leistungen zwar bereits vor dem 31.12.2015 gegenüber ihrem früheren Arbeitgeber geltend gemacht haben, eine Klage jedoch erst nach dem 31.12.2015 erhoben haben, ungleich behandelt werden im Vergleich mit solchen Versorgungsberechtigten, die ihre Ansprüche vor dem 31.12.2015 geltend gemacht und Klage erhoben haben. Denn die Arbeitnehmerin hat eine Anpassung ihrer laufenden Leistungen zum 1.10.2014 erstmals mit Schreiben vom 27.01.2016 gegenüber ihrer vormaligen Arbeitgeberin geltend gemacht.

Die Neufassung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015, mit der der Verweis auf den Höchstrechnungszinssatz nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a VAG gestrichen und damit der Anwendungsbereich der Vorschrift erweitert wurde im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2014/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.04.2014 über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten durch Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen38, verstößt nicht gegen Unionsrecht, insbesondere nicht gegen das Verschlechterungsverbot nach Art. 7 Abs. 2 EU-Mobilitäts-Richtlinie. Es kann deshalb dahinstehen, welche Rechtsfolgen ein solcher Verstoß des nationalen Gesetzgebers bei der Umsetzung von Sekundärrecht in einem Rechtsstreit, an dem ausschließlich private Personen beteiligt sind, hätte39. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nicht.

Nach Art. 7 Abs. 2 EU-Mobilitäts-Richtlinie in der deutschen Sprachfassung darf die Umsetzung der Richtlinie in keinem Fall zum Anlass genommen werden, die in den Mitgliedstaaten bestehenden Rechte auf Erwerb und Wahrung von Zusatzrenten oder das Recht von Versorgungsanwärtern oder Leistungsempfängern auf die Erteilung von Auskünften einzuschränken. Demgegenüber formuliert die englische Sprachfassung „shall not under any circumstances be used as a reason for reducing existing rights“ und damit, dass die Umsetzung der Richtlinie unter keinen Umständen als Grund für eine Verschlechterung genutzt werden darf. Die französische Sprachfassung formuliert „ne peut en aucun cas constituer un motif de réduction des droits existants“ und damit, dass die Umsetzung der Richtlinie keinesfalls eine Rechtfertigung bzw. ein Motiv für eine Einschränkung bestehender Rechte sein darf. Dies zeigt, dass das Verschlechterungsverbot verhindern soll, dass die politische Verantwortung für eine verschlechternde Regelung vom nationalen Gesetzgeber auf den Unionsgesetzgeber verschoben wird. Eine Verschlechterung bei der Richtlinienumsetzung aus einem anderen Grund bleibt jedoch zulässig40.

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Verschlechterungsverbot nach § 8 Nr. 3 des Anhangs der Befristungsrichtlinie 1999/70/EG. Danach greift das Verschlechterungsverbot nicht ein, wenn die Senkung des Schutzniveaus im Zuge der Richtlinienumsetzung in keinem Zusammenhang mit der Richtlinienumsetzung steht, sie mithin nicht durch das Erfordernis der Umsetzung gerechtfertigt ist, sondern durch die Notwendigkeit, auf ein anderes Ziel hinzuwirken41.

Danach ist die durch die Neufassung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG mit Wirkung ab dem 31.12.2015 vorgenommene Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015 möglich.

Die Änderung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG durch dieses Gesetz diente keinem Ausgleich für die Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie. Indem das Gesetz die weitere Voraussetzung in § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG für das Entfallen der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG, dass zur Berechnung der garantierten Leistung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a VAG festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten werden darf, gestrichen wurde, sollte lediglich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.09.201442 korrigiert werden. Ziel der Gesetzesänderung war es, die Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG für alle bestehenden und künftigen Zusagen unabhängig vom Zeitpunkt der Erteilung zu streichen, um Arbeitgebern die notwendige Planungssicherheit zu geben, ohne den angestrebten weiteren Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung zu gefährden43. Die Gesetzesänderung war also eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts44 und diente ihrer Korrektur. Sie ist nur bei Gelegenheit des anstehenden Gesetzgebungsverfahrens im Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21.12.2015 mitgeregelt worden, nicht aus Anlass der Umsetzung. Der nationale Gesetzgeber hat lediglich im zeitlichen Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie die Änderung von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG vorgenommen. Die Umsetzung ist in den Gesetzesmaterialien auch nicht als Grund für die Änderung angegeben worden45.

Dem Ziel der EU-Mobilitäts-Richtlinie, die Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten weiter zu erleichtern, indem die Möglichkeiten für Anwärter auf Zusatzrentenansprüche zum Erwerb und zur Wahrung solcher Zusatzrentenansprüche verbessert werden, läuft die Änderung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht zuwider. Die EU-Mobilitäts-Richtlinie enthält keine Regelungen über die Anpassung von laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Vielmehr enthält sie Mindestbedingungen, um die grenzüberschreitende Mobilität der Arbeitnehmer zu verbessern, etwa Mindestbedingungen für den Eintritt der Unverfallbarkeit erworbener Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Artikel 4), Regelungen zur Wahrung von Anwartschaften (Artikel 5) und das Recht auf Auskunft (Artikel 6). Im Übrigen stellt Erwägungsgrund 9 der Richtlinie ausdrücklich klar, dass durch die Richtlinie das Recht der Mitgliedstaaten, ihre Altersversorgungssysteme selbst zu gestalten, nicht in Frage gestellt wird.

Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens zum Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf es in diesem Zusammenhang nicht46.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Mai 2022 – 3 AZR 408/21

  1. BGBl. I S. 2553[][]
  2. BT-Drs. 16/3945 S. 96; BGH 11.02.2015 – IV ZR 213/14, Rn. 12, BGHZ 204, 172; Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers 4. Aufl. PK-VersR § 153 Rn. 62; vgl. auch Kurzendörfer Einführung in die Lebensversicherung S. 150 f.[]
  3. BT-Drs. 16/3945 S. 96; Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers aaO[]
  4. a.G.[]
  5. Langheid/Wandt/Heiss 2. Aufl. VVG § 153 Rn. 42[]
  6. zu Letzterem Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers 4. Aufl. PK-VersR § 153 Rn. 65[]
  7. nach sog. Sterbetafeln[]
  8. vgl. zu den Versicherungsbedingungen des Tarifs B BAG 10.12.2019 – 3 AZR 122/18, Rn. 9, BAGE 169, 72[]
  9. BAG 10.12.2019 – 3 AZR 122/18, Rn. 117, aaO; aA Diller/Herrmann NZA 2020, 1525[]
  10. aA LAG Köln 9.09.2020 – 5 Sa 399/18, Rn. 157 ff.[]
  11. BGBl. I S. 2998[]
  12. BT-Drs. 13/8011 S. 73[]
  13. BAG 30.09.2014 – 3 AZR 617/12, Rn. 64 ff., BAGE 149, 212[][]
  14. BGBl.1996 I S. 670[]
  15. BR-Drs. 346/15[]
  16. BT-Drs. 18/6283 S. 13[]
  17. 3 AZR 342/15, Rn. 55 ff., BAGE 157, 230[]
  18. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, BT-Drs. 18/12612 S. 32[]
  19. BGBl. I S. 3214[]
  20. BVerfG 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, Rn. 43, BVerfGE 132, 302[]
  21. BVerfG 7.04.2022 – 2 BvR 2194/21, Rn. 81[]
  22. vgl. BVerfG 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, Rn. 42, BVerfGE 132, 302; 19.12.1961 – 2 BvL 6/59, zu B III der Gründe, BVerfGE 13, 261[]
  23. vgl. BVerfG 10.02.2021 – 2 BvL 8/19, Rn. 140 mwN, BVerfGE 156, 354[]
  24. vgl. statt vieler BVerfG 7.04.2022 – 2 BvR 2194/21, Rn. 81; 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, Rn. 64, BVerfGE 135, 1; 19.12.1961 – 2 BvL 6/59 – BVerfGE 13, 261[]
  25. vgl. statt vieler BVerfG 18.02.2009 – 1 BvR 3076/08, Rn. 66, BVerfGE 122, 374; 25.05.1993 – 1 BvR 1509/91, 1 BvR 1648/91, zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 88, 384[]
  26. vgl. BVerfG 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, Rn. 64 mwN, aaO[]
  27. vgl. BVerfG 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, Rn. 64 mwN, BVerfGE 135, 1[]
  28. vgl. BVerfG 7.04.2022 – 2 BvR 2194/21, Rn. 81; 10.02.2021 – 2 BvL 8/19, Rn. 142 mwN, BVerfGE 156, 354[]
  29. vgl. statt vieler nur BVerfG 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, Rn. 65 mwN, BVerfGE 135, 1[]
  30. statt vieler BVerfG 17.12.2013 – 1 BvL 5/08 – aaO[]
  31. vgl. BVerfG 17.12.2013 – 1 BvL 5/08 – aaO[][]
  32. durch Entwicklungen in der Rechtsprechung[]
  33. vgl. BVerfG 10.02.2021 – 2 BvL 8/19, Rn. 143 mwN, BVerfGE 156, 354[]
  34. vgl. BVerfG 7.04.2022 – 2 BvR 2194/21, Rn. 82; 17.12.2013 – 1 BvL 5/08 – aaO[]
  35. BT-Drs. 13/8011[]
  36. BT-Drs. 18/12612 S. 32: „ausdrücklich geregelt“[]
  37. BAG 13.12.2016 – 3 AZR 342/15, Rn. 55 ff., BAGE 157, 230[]
  38. ABl. EU L 128 vom 30.04.2014 S. 1, im Folgenden EU-Mobilitäts-Richtlinie[]
  39. vgl. allgemein zum Verstoß gegen Richtlinien der Europäischen Union zuletzt EuGH 17.03.2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 64 ff. mwN[]
  40. EuArbRK/Reiner 4. Aufl. RL 2014/50/EU Art. 7 Rn. 2[]
  41. vgl. EuGH 22.11.2005 – C-144/04 – [Mangold] Rn. 52 f.; 23.04.2009 – C-378/07 – [Angelidaki] Rn. 131; 24.06.2010 – C-98/09 – [Sorge] Rn. 36 ff.; EuArbRK/Krebber 4. Aufl. RL 1999/70/EG § 8 Rn. 4; vgl. auch BAG 18.05.2017 – 8 AZR 74/16, Rn. 61 ff., BAGE 159, 159[]
  42. BAG 30.09.2014 – 3 AZR 617/12, BAGE 149, 212[]
  43. vgl. BT-Drs. 18/6283 S. 13 zu Nr. 7, ebenso BT-Drs. 18/12612 S. 32 zu § 30c[]
  44. so auch BAG 13.12.2016 – 3 AZR 342/15, Rn. 65, BAGE 157, 230[]
  45. vgl. insbesondere BT-Drs. 18/6283[]
  46. zu den Vorlagevoraussetzungen: EuGH 6.10.2021 – C 561/19 – [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi]; 4.10.2018 – C-416/17 – [Kommission/Frankreich] Rn. 110; 6.10.1982 – C-283/81 – [C.I.L.F.I.T.][]