Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung müssen Auskünfte, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ohne Rechtspflicht erteilt, richtig, eindeutig und vollständig sein. Eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage zu unterrichten, wenn seine zuvor erteilten Auskünfte unrichtig werden, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände erkennen kann, dass die Richtigkeit der Auskunft auch für die Zukunft Bedeutung hat.
So hat die Arbeitgeberin in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Streitfall hat keine Beratungs- bzw. Hinweis- und Informationspflichten verletzt, die einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen könnten:
Eine entsprechende Verpflichtung der Arbeitgeberin ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entgeltumwandlungsvereinbarung des Arbeitnehmers am 23.09.2003 sah das Versicherungsvertragsgesetz (VVG)1 keine Beratungspflichten vor Abschluss eines Versicherungsvertrags vor. §§ 6, 6a VVG normieren sie nunmehr lediglich für den Versicherer. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). § 10a VAG – sowohl in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung vom 22.04.20022 als auch in der am 1.01.2008 in Kraft getretenen3 und bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung4 – sah Informationspflichten nur für den Versicherer vor.
Ebenso wenig fallen Auskünfte über Beitragspflichten in der Kranken- und Pflegeversicherung bei Entgeltumwandlungen unter die vom Arbeitgeber nach § 4a BetrAVG zu erteilenden Auskünfte.
Ein Anspruch des Arbeitnehmers folgt auch nicht aus Tarifvertrag. Der TV-EUmw/VKA regelt keine entsprechenden Beratungs- bzw. Informations- und Hinweispflichten für die Arbeitgeber.
Schließlich kann der Arbeitnehmer – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – seinen Anspruch nicht auf eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht iSv. § 241 Abs. 2 BGB stützen.
Zwar treffen den Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis keine allgemeinen Beratungspflichten. Er ist aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht jedoch verpflichtet, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Dies gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer. Zwar hat jede Partei grundsätzlich für die Wahrnehmung ihrer Interessen selbst zu sorgen und sich Klarheit über die Folgen ihres Handelns zu verschaffen. Aus der Schutz- und Rücksichtnahmepflicht können sich gleichwohl Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers ergeben. Diese Pflichten beruhen auf den besonderen Umständen des Einzelfalls und sind das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung5.
Danach können den Arbeitgeber in folgenden Konstellationen Informations- und Hinweispflichten treffen:
Gesteigerte Informationspflichten können den Arbeitgeber vor allem dann treffen, wenn eine nachteilige Vereinbarung – etwa über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses – auf seine Initiative und in seinem Interesse getroffen wird6. Denn durch das Angebot eines solchen Vertrags kann der Arbeitgeber den Eindruck erwecken, er werde auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen, atypischen Versorgungsrisiken aussetzen7.
Eine Hinweispflicht kann aber auch dann bestehen, wenn eine Maßnahme nicht auf einer Initiative des Arbeitgebers beruht. Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind stets zu beachten8. Wie groß das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ist, hängt insbesondere von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie sowie dem Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Voraussehbarkeit ab. Der Arbeitgeber darf allerdings weder durch das Bestehen noch durch den Inhalt der arbeitsvertraglichen Informationspflicht überfordert werden9. Eine Auskunftspflicht besteht daher, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer über eine größere „Informationsnähe“ verfügt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber die Information besitzt oder – anders als der Arbeitnehmer, der sie benötigt – ohne Schwierigkeiten beschaffen kann.
Erteilt schließlich der Arbeitgeber Auskünfte – ohne dass er im konkreten Fall zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für den Arbeitnehmer gehalten ist, von sich aus geeignete Hinweise zu geben – müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein10. Dies gilt für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung in besonderem Maße im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen auf die langfristige Lebensplanung des Arbeitnehmers, die jedenfalls ein dem Arbeitgeber offenbares Informationsinteresse begründen11. Kann der Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände im Zeitpunkt der Erteilung der Information erkennen, dass deren Richtigkeit auch für die Zukunft Bedeutung hat, kann sich auch hieraus eine Pflicht des Arbeitgebers ergeben, den Arbeitnehmer auf Änderungen der Sach- und Rechtslage hinzuweisen, wenn diese zum Nachteil des Arbeitnehmers Auswirkungen auf die Richtigkeit der ursprünglichen Information haben.
Ausgehend von diesen Grundsätzen scheidet ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers aus.
Eine Hinweis- und Informationspflicht der Arbeitgeberin ergibt sich vorliegend nicht daraus, dass eine für den Arbeitnehmer nachteilige Vereinbarung auf Bestreben der Arbeitgeberin zustande gekommen ist. Der TV-EUmw/VKA eröffnet – wie § 1a BetrAVG – lediglich die Möglichkeit, Entgelt umzuwandeln. Die Entscheidung zur Vornahme einer Entgeltumwandlung obliegt daher allein dem Arbeitnehmer12. Umstände, die darauf schließen lassen, die Arbeitgeberin habe besonders stark darauf hingewirkt, dass die Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sind weder festgestellt noch lässt sich dies dem Vortrag der Parteien entnehmen.
Die Arbeitgeberin trifft auch unabhängig davon, auf wessen Initiative die Entgeltumwandlungsvereinbarung zustande gekommen ist, keine entsprechende Aufklärungspflicht. Sie verfügt nicht über eine größere „Informationsnähe“. Zwischen ihr und dem Arbeitnehmer besteht im Hinblick auf die (geplante) Pflicht, auch auf Einmalkapitalbeiträge Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge leisten zu müssen, kein Kompetenz- und/oder Informationsgefälle, welches nach Treu und Glauben eine Aufklärung erwarten lassen könnte. Sie ergibt sich aus jedermann zugänglichen und insoweit ohne Weiteres verständlichen Gesetzesmaterialien wie etwa Bundestagsdrucksachen. Es kann deshalb vom Arbeitnehmer erwartet werden, dass er sich die Kenntnis dieser Rechtsvorschrift selbst verschafft13.
Die Arbeitgeberin hat keine Pflicht verletzt, weil sie den Arbeitnehmer nicht richtig unterrichtet und ihn später nicht auf die Änderung der Rechtslage hingewiesen hat.
Auf der Betriebsversammlung am 9.04.2003 bestand kein Anlass, über eine Beitragspflicht auch für Kapitalauszahlungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zu informieren. Denn nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V aF bestand keine Beitragspflicht, wenn Kapitalleistungen – wie im Fall des Arbeitnehmers – vor Eintritt des Versorgungsfalls vereinbart wurden14.
Solche Einmalkapitalleistungen wurden erst aufgrund einer Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V mit Wirkung zum 1.01.2004 beitragspflichtig. Dies gilt danach auch, wenn der Versicherungsvertrag wie beim Arbeitnehmer vorzeitig beendet und der Rückkaufswert ausgezahlt wurde15. Selbst nach dem Vorbringen des Arbeitnehmers stand diese Gesetzesänderung aber erst ab Sommer 2003 und damit nach der Betriebsversammlung im April 2003 im Raum.
Die Arbeitgeberin musste den Arbeitnehmer vor dem Hintergrund der von Herrn B auf der Betriebsversammlung am 9.04.2003 erteilten Informationen auch nicht über die gesetzliche Entwicklung unterrichten. Zwar bestand spätestens mit dem am 8.09.2003 eingebrachten Gesetzentwurf von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN16 – und damit vor der streitgegenständlichen Entgeltumwandlungsvereinbarung – die Möglichkeit einer entsprechenden Gesetzesänderung. Die Verpflichtung, über eine mögliche Gesetzesänderung nachträglich zu unterrichten, setzt jedoch voraus, dass sich die Gesetzesänderung bzw. das Gesetzesvorhaben gerade auf die Aspekte bezieht, die Gegenstand der ursprünglich erteilten Auskunft waren. Auf der Veranstaltung am 9.04.2003 ist über die im Zusammenhang mit der Entgeltumwandlung stehenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen jedoch nicht informiert worden.
Daraus konnten die Arbeitnehmer – entgegen der vom Arbeitnehmer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht geäußerten Auffassung – auch nicht berechtigt schließen, dass es hinsichtlich dieses Rechtsgebietes und der damit im Zusammenhang stehenden Fragestellungen keine Probleme geben wird bzw. ihr Auftreten eine Informationspflicht auslöst. Wenn der Arbeitgeber über sozialversicherungsrechtliche Regelungen wie die Beitragspflicht Auskunft gibt, muss er dies richtig und vollständig tun. Eine solche Information ist aber nicht automatisch Gegenstand einer Unterrichtung über etwa steuerrechtliche Gesichtspunkte.
Hinzu kommt, dass die vor der Gesetzesänderung bestehende Beitragsfreiheit derjenigen Kapitalleistungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls in Anspruch genommen wurden, eine Ausnahme von der Beitragspflicht für Rentenleistungen der betrieblichen Altersversorgung und der nach Eintritt des Versicherungsfalls geforderten Kapitalleistungen war. Über Entwicklungen, die solche speziellen Fallgestaltungen betreffen, muss der Arbeitgeber nur unterrichten, wenn er bereits zuvor über diesen Aspekt informiert hat.
Da es aus den dargelegten Gründen bereits keine Verletzung von Hinweis- und Informationspflichten gibt, konnte im Streitfall offenbleiben, ob sich die Arbeitgeberin das Verhalten des Fachberaters der Sparkasse zurechnen lassen muss, weil dieser für sie als Erfüllungsgehilfe iSv. § 278 Satz 1 BGB aufgetreten ist. Lässt ein Arbeitgeber zu, dass über Produkte eines Trägers der betrieblichen Altersversorgung im Zusammenhang mit der Entgeltumwandlung informiert wird, führt dies nicht dazu, dass die handelnden Personen seine Erfüllungsgehilfen sind. Diese werden – sofern sie in den Vertrieb des Versorgungsträgers eingebunden sind – für diesen oder aber für ein selbständiges Vermittlungsunternehmen tätig. Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht daraus, dass Herr B auf einer Betriebsversammlung aufgetreten ist, denn diese werden nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Betriebsrat durchgeführt (§ 43 BetrVG).
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Februar 2020 – 3 AZR 206/18
- ursprünglich Gesetz über den Versicherungsvertrag vom 30.05.1908, RGBl. S. 263, idF vom 26.11.2001, BGBl. I S. 3138; ersetzt durch Versicherungsvertragsgesetz vom 23.11.2007, BGBl. I S. 2631; zuletzt geändert durch Art. 2 Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen und zur Änderung weiterer Gesetze vom 30.11.2019, BGBl. I S.1942[↩]
- BGBl. I S. 1310[↩]
- BGBl. I S. 2631[↩]
- BGBl. I S. 3248[↩]
- BAG 20.06.2017 – 3 AZR 179/16, Rn. 86 f.[↩]
- vgl. BAG 15.04.2014 – 3 AZR 288/12, Rn. 45 mwN[↩]
- BAG 17.10.2000 – 3 AZR 605/99, zu II 2 a der Gründe mwN[↩]
- BAG 14.01.2009 – 3 AZR 71/07, Rn. 29 mwN[↩]
- vgl. etwa BAG 11.12.2012 – 3 AZR 611/10, Rn. 69 mwN[↩]
- vgl. etwa BAG 15.12.2016 – 6 AZR 578/15, Rn.20[↩]
- vgl. BAG 15.12.2016 – 6 AZR 578/15, Rn. 27[↩]
- zur gesetzlichen Regelung nach § 1a BetrAVG vgl. BAG 21.01.2014 – 3 AZR 807/11, Rn.20, BAGE 147, 155[↩]
- vgl. BAG 21.01.2014 – 3 AZR 807/11, Rn. 18, BAGE 147, 155[↩]
- vgl. BSG 30.03.1995 – 12 RK 10/94[↩]
- sh. BSG 25.04.2012 – B 12 KR 26/10 R[↩]
- BT-Drs. 15/1525[↩]