Anpassung einer betrieblichen Gesamtversorgung

Eine Anpassungsverpflichtung der Arbeitgeberin nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bezieht sich bei einer zugesagten Gesamtversorgung nur auf die Pensionsergänzung, nicht dagegen auf die aus der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Rente aus der Versorgungskasse und der Pensionsergänzung bestehende Gesamtversorgung.

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung knüpft nicht an die Gesamtversorgung an. Bezugsobjekt der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG ist die Ausgangsrente, dh. die Betriebsrente, die sich nach der Versorgungsvereinbarung zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls errechnet; und vom Arbeitgeber gezahlt wird, und nicht die Gesamtversorgung. Dies ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmung 1.

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber eine Anpassung der laufenden „Leistungen der betrieblichen Altersversorgung“ zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Damit knüpft § 16 Abs. 1 BetrAVG für die Anpassung an die Leistungen an, die der Arbeitgeber aufgrund der mit dem Arbeitnehmer getroffenen Versorgungszusage an den Versorgungsempfänger erbringt. Eine Anknüpfung an andere, dem Versorgungsgläubiger gegenüber Dritten aus einem anderen Rechtsgrund zustehende Leistungen sieht die Bestimmung ebenso wenig vor wie eine Anknüpfung an eine Gesamtversorgung, die sich aus Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und den nach dem Inhalt der Versorgungszusage ggf. zu berücksichtigenden Leistungen Dritter zusammensetzt 2.

Dass sich die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ausschließlich auf die vom Arbeitgeber geschuldete und von diesem gezahlte Betriebsrente bezieht und nicht auf eine Gesamtversorgung, ergibt sich auch daraus, dass die Belange des Versorgungsempfängers – wie aus § 16 Abs. 2 BetrAVG folgt – im Ausgleich des Kaufkraftverlusts seit Rentenbeginn, also in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung bestehen. Dementsprechend ist der volle Anpassungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung besteht, soweit er nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde 3. § 16 BetrAVG will damit erkennbar eine Auszehrung der zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls geschuldeten und gezahlten Betriebsrente vermeiden und den realen Wert dieser Betriebsrente erhalten 4, nicht jedoch den Wert anderer Leistungen sichern 5.

Eine vertragliche Anpassung nach den Bestimmungen der Gesamtversorgung einerseits und die gesetzliche Pflicht zur Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG andererseits sind strikt voneinander zu trennen. Die vertragliche Anpassung folgt allein den Regelungen der Versorgungszusage. Umgekehrt ist die gesetzliche Anpassungsprüfung in Ermangelung anderweitiger Bestimmungen in der Versorgungszusage allein nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG vorzunehmen.

Zwar kann nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 BetrAVG von § 16 BetrAVG entweder durch Tarifvertrag oder zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Damit könnten die Bestimmungen in AB § 6 BVW zugunsten des Betriebsrentners abweichende Regelungen enthalten. Solche sind jedoch – entgegen der Auffassung des Betriebsrentners – nicht vorhanden. AB § 6 BVW enthält einen eigenständigen Prüfungsmechanismus, der keine Auswirkungen auf das gesetzliche Anpassungsprüfungs- und -entscheidungssystem nach § 16 BetrAVG enthält.

Im hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall bestimmte die betriebliche Versorgungsregelung  zugunsten der Versorgungsberechtigten, dass die Gesamtversorgung anzupassen ist.  Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die vertragliche Anpassung, nicht auch auf die gesetzliche Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. So erfolgt die Anpassung nach der betrieblichen Versorgungsregelung entsprechend der Entwicklung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung und nicht nach dem Verbraucherpreisindex für Deutschland oder der Entwicklung der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (§ 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG). Auch erfolgt die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge hiernach zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden und nicht alle drei Jahre (§ 16 Abs. 1 BetrAVG). Auch der Prüfungszeitraum ist unterschiedlich. Die vertragliche Anpassung übernimmt im Grundsatz jährlich die Veränderung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach ua. § 69 Abs. 1 SGB VI iVm. §§ 68, 68a SGB VI und der jeweiligen Rentenwertbestimmungsverordnung. Demgegenüber sieht § 16 BetrAVG als Prüfungszeitraum die Zeit vom individuellen Eintritt des Versorgungsfalls bis zum Anpassungsprüfungsstichtag vor. Unterschiedliche Anforderungen gelten auch für die Ablehnung einer Anpassung durch die Versorgungsschuldnerin (§ 16 Abs. 1 BetrAVG). Die betriebliche Versorgungsregelung enthält im vorliegenden Fall auch keine Regelung, die den Schluss zuließe, dass durch sie eine Vorgabe für die gesetzliche Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 BetrAVG erfolgen sollte. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Urheber der Betriebsrentenbestimmungen (im Fall einer Gesamtzusage die Arbeitgeberin; im Fall einer Gesamtbetriebsvereinbarung die Betriebsparteien) mit der Regelung der vertraglichen Anpassung zugleich eine Regelung für die – jedenfalls im Zeitpunkt der erstmaligen Schaffung des BVW wohl im Jahre 1961 – noch gar nicht bestehende Verpflichtung zur Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG treffen wollten.

Vor diesem Hintergrund ist für eine Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG kein Raum unabhängig davon, ob unter der Bezeichnung „Gesamtversorgung“ die Versorgung aus der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Rente aus der Pensionskasse und der Pensionsergänzung oder die Summe der Rente aus der Pensionskasse und der Pensionsergänzung zu verstehen ist.

Ob daneben  auch ein isolierter Anspruch zur Anpassungsprüfung und -entscheidung aus § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bezüglich der Rente aus der Versorgungskasse auch nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG ausscheidet, konnte für das Bundesarbeitsgericht hier dahinstehen, denn Streitgegenstand war lediglich eine einheitliche Anpassung der Gesamtversorgung bzw. der einheitlich betrachteten Pensionsergänzung und der Rente aus der Versorgungskasse.

Die Anpassung der Pensionsergänzung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zum 1.07.2015 führt nicht zur auch nur teilweisen weiteren Begründetheit der Klage über die bereits rechtskräftig zuerkannten Beträge hinaus. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit den Parteien davon ausgegangen, dass die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG bezüglich der Pensionsergänzung zum 1.07.2015 stattzufinden hatte. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch der Kaufkraftverlust zum Anpassungsstichtag 1.07.2015 – wie vom Betriebsrentner zutreffend seinen Berechnungen zugrunde gelegt – anhand des VPI Basis 2010 und nicht anhand des VPI Basis 2015 zu ermitteln. Allerdings zahlt die Arbeitgeberin ab dem 1.07.2015 eine höhere Pensionsergänzung an den Betriebsrentner, als sie nach § 16 BetrAVG schuldet.

Die Arbeitgeberin war demnach  im  hier entschiedenen Fall nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum 1.07.2015 zu prüfen, ob eine Anpassung der Pensionsergänzung des Betriebsrentners an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Diese wäre daher – ausgehend vom Rentenbeginn des Betriebsrentners am 1.01.2003 – am 1.01.2015 vorzunehmen gewesen.

Allerdings hat die Arbeitgeberin alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zulässigerweise zum 1.07.eines Jahres gebündelt. Daraus ergab sich für den Betriebsrentner der 1.07.2015 als Prüfungstermin.

Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung aller in einem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beeinträchtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksichtigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Zeitraum allerdings eingehalten sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste Anpassungsprüfung um nicht mehr als sechs Monate verzögern 6.

Der Betriebsrentner bezieht vorliegend seit dem 1.01.2003 eine Betriebsrente. Aus der Bündelung der Anpassungsstichtage ergibt sich – ohne unzulässige Verzögerung – der 1.07.2015 als Anpassungsstichtag.

Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber insbesondere die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin einer Anpassung der Betriebsrente des Betriebsrentners an den Kaufkraftverlust zum 1.07.2015 nicht entgegenstand. Die Arbeitgeberin hat im gesamten Rechtsstreit nicht geltend gemacht, dass ihre wirtschaftliche Lage einer Anpassung der Pensionsergänzung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG entgegenstünde.

Die Arbeitgeberin ist daher verpflichtet, die Betriebsrente des Betriebsrentners an den in der Zeit vom Rentenbeginn (01.01.2003) bis zum Anpassungsstichtag (01.07.2015) eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Der Kaufkraftverlust in diesem Zeitraum beträgt 20,09 vH. Eine Begrenzung durch die reallohnbezogene Obergrenze nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG hat die Arbeitgeberin nicht eingewandt. Daher steht dem Betriebsrentner der volle Teuerungsausgleich zu.

Zur Ermittlung des Kaufkraftverlusts ist auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 abzustellen. Da die Anpassung jeweils zu einem bestimmten Stichtag zu prüfen und ggf. vorzunehmen ist, kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit auf die aktuelle statistische Grundlage an, die zum maßgeblichen Anpassungszeitpunkt vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht war 7. Dies ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010. Dieser wurde im Februar 2013 veröffentlicht und war zum Anpassungsstichtag maßgeblich. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2015 wurde erst im Februar 2019 veröffentlicht und war zum Anpassungsstichtag nicht heranzuziehen. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs sind die Indexwerte der Monate maßgeblich, die dem Rentenbeginn und dem aktuellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen.

Die Klage ist aber auch nicht insoweit begründet, als dass zunächst die Anpassungsprüfung zum 1.07.2015 nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG durchzuführen wäre und anschließend auf den so ermittelten Wert die vertragliche Erhöhung nach den Bestimmungen der Versorgungszusage vorzunehmen wäre; hierin läge eine unzulässige Vermischung des vertraglichen Anpassungsmechanismus mit der gesetzlichen Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG.

Die Regelung zur vertraglichen Anpassung nach den Bestimmungen der Versorgungszusage einerseits und § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG stehen getrennt voneinander. Der Betriebsrentner ist gehalten, seinen Anspruch quasi alternativ nach beiden Anpassungsmechanismen zu berechnen, dh. es ist zunächst die vertragliche Anpassung isoliert zu berechnen und parallel die Anpassung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. Wegen § 19 Abs. 1 und Abs. 3 BetrAVG darf die vertragliche Anpassung jedoch zu keinem Zeitpunkt geringer sein als die nach § 16 BetrAVG ermittelte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Juni 2020 – 3 AZR 441/19

  1. BAG 19. November 2019 – 3 AZR 281/18 – Rn. 50 ff.; 14. Februar 2012 – 3 AZR 685/09 – Rn. 30[]
  2. BAG 14. Februar 2012 – 3 AZR 685/09 – Rn. 31; Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG 7. Aufl. § 16 Rn. 152[]
  3. vgl. BAG 14. Februar 2012 – 3 AZR 685/09 – Rn. 32; 28. Juni 2011 – 3 AZR 859/09 – Rn. 25, BAGE 138, 213[]
  4. vgl. BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – zu II 1 c aa der Gründe, BAGE 115, 353[]
  5. BAG 14. Februar 2012 – 3 AZR 685/09 – Rn. 32[]
  6. vgl. BAG 22. Januar 2019 – 3 AZR 616/17 – Rn. 18; 26. April 2018 – 3 AZR 686/16 – Rn. 17 mwN[]
  7. BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 45, BAGE 142, 116; 28. Juni 2011 – 3 AZR 859/09 – Rn. 28 f., BAGE 138, 213[]