Dem Anspruch eines Versorgungsempfängers auf richtige Berechnung seiner Ausgangsrente auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung – und damit die Überprüfung der Wirksamkeit einer Ablösung einer früheren, günstigeren Versorgungsordnung – kann der Einwand der Verwirkung aus § 242 BGB nicht entgegengehalten werden.
In dem hier vom Bundesarbeitsgericht hatte ein Arbeitnehmer geklagt, der seit 1955 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt war. Die betriebliche Altersversorgung bei der Arbeitgeberin war seit dem Jahr 1979 durch eine Betriebsvereinbarung (BV 1979) geregelt. Die BV 1979 wurde zum 1. Januar 1988 durch eine weitere Betriebsvereinbarung (BV 1988) geändert. Dabei wurde jedes Dienstjahr der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit nach Inkrafttreten der BV 1988 mit 0,2 % des Arbeitseinkommens bewertet, statt wie zuvor nach der BV 1979 mit 0,4 %. Der Arbeitnehmer schied mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aus dem Arbeitsverhältnis aus und bezieht seit dem 1. Januar 2004 ua. eine Betriebsrente von der Arbeitgeberin.
Der Arbeitnehmer verlangt die Zahlung einer höheren Ausgangsbetriebsrente. Die Halbierung der künftigen Steigerungsbeträge durch die BV 1988 sei mangels sachlich-proportionaler Gründe unzulässig. Die Arbeitgeberin verweist demgegenüber ua. auf ihre damalige wirtschaftliche Lage und hält dem Begehren des Arbeitnehmers nach einer Neuberechnung seiner Ausgangsrente den Einwand der Verwirkung entgegen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Saarland hat die Berufung insoweit zurückgewiesen1. Die hiergegen gerichtete, vom Bundesarbeitsgericht eingeschränkt auf eine um 119,12 Euro brutto höhere Ausgangsrente zugelassene Revision des Arbeitnehmers hatte nun Erfolg und führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht:
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Saarland ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Berechnung seiner Ausgangsrente und damit die Überprüfung der Wirksamkeit der Ablösung der BV 1979 durch die BV 1988 nicht aus dem aus § 242 BGB abgeleiteten Grundsatz der Verwirkung ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer verfolgt ein Recht, dass durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt wurde. Dieses ist von Gesetzes wegen nach § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG dem Einwand der Verwirkung entzogen.
Ob die Klage begründet ist, konnte das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts allerdings noch nicht entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hatte zu den von der Arbeitgeberin vorgebrachten Gründen für die Ablösung der früheren Betriebsvereinbarung keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nun im fortgesetzten Berufungsverfahren nachzuholen haben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Oktober 2020 – 3 AZR 246/20
- LAG Saarland 13.11.2020 – 1 Sa 1/19[↩]