Betriebsrentenanpassung – und die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners im Konzern

Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat.

Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet.

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus. Beurteilungsgrundlage für die insoweit langfristig zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden1.

Zwar ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Anpassungsstichtag. Allerdings kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers auswirken. Die wirtschaftlichen Daten nach dem Anpassungsstichtag bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz können die frühere Prognose bestätigen oder entkräften. Voraussetzung für die Berücksichtigung der späteren Entwicklung bei der zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose ist allerdings, dass die Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren. Spätere unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können erst bei der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden2.

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Die Wettbewerbsfähigkeit wird beeinträchtigt, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird oder wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Bei einer ungenügenden Eigenkapitalverzinsung reicht die Ertragskraft des Unternehmens nicht aus, um die Anpassungen finanzieren zu können. Bei einer ungenügenden Eigenkapitalausstattung muss verlorene Vermögenssubstanz wieder aufgebaut werden, bevor dem Unternehmen die Anpassung von Betriebsrenten zugemutet werden kann. Demnach rechtfertigt die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als dieser annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an. Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse bieten den geeigneten Einstieg für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebsergebnisse als auch des vorhandenen Eigenkapitals3.

Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht grundsätzlich aus einem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Der Basiszins entspricht der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen. Der Risikozuschlag beträgt 2 %4.

Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die Höhe des Eigenkapitals, andererseits auf das erzielte Betriebsergebnis abzustellen. Beide Bemessungsgrundlagen sind ausgehend von dem in den handelsrechtlichen Jahresabschlüssen ausgewiesenen Zahlenwerk zu bestimmen5. Allerdings sind die betriebswirtschaftlich gebotenen Korrekturen vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für Scheingewinne, sondern beispielsweise auch für betriebswirtschaftlich überhöhte Abschreibungen. Außerordentliche Erträge sind zwar keine Scheingewinne. Ihr Ausnahmecharakter kann jedoch bei der Beurteilung der künftigen Ertragsentwicklung nicht außer Acht gelassen werden. In der Regel sind außerordentliche Erträge und außerordentliche Verluste aus den der Prognose zugrunde gelegten früheren Jahresabschlüssen herauszurechnen. Darüber hinaus sind wirtschaftliche Daten, die auf Entwicklungen oder Umständen beruhen, die nicht fortwirken und sich voraussichtlich nicht wiederholen werden, regelmäßig nicht repräsentativ für die weitere Ertragslage und deshalb regelmäßig bei der Ermittlung der Eigenkapitalverzinsung nicht zu berücksichtigen6.

Für die Frage, ob der Versorgungsschuldner eine angemessene Eigenkapitalverzinsung erzielt hat, kommt es auf das vorhandene Eigenkapital iSd. § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB an. Dazu zählen nicht nur das gezeichnete Kapital (Stammkapital) und die Kapitalrücklage, sondern auch Gewinnrücklagen, Gewinn- und Verlustvorträge und Jahresüberschüsse/Jahresfehlbeträge7. Da sich das Eigenkapital während eines Geschäftsjahres ständig verändert, kann weder das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Geschäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist von einem Durchschnittswert auszugehen. Das Eigenkapital zu Beginn und zum Ende des Geschäftsjahres sind zu addieren und anschließend zu halbieren8.

Die für die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers maßgebliche wirtschaftliche Lage wird nicht nur vom Umfang der Eigenkapitalverzinsung bestimmt, sondern auch von der Eigenkapitalausstattung. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ist nach seiner gesamtwirtschaftlichen Situation zu beurteilen. Die zu erwartenden Überschüsse sind nur ein Kriterium. Wertzuwächse sind bei der Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG nur insoweit zu berücksichtigen, als sie vom Unternehmen erwirtschaftet wurden und ohne Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze verwertet werden können. Deshalb ist die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens auch dann beeinträchtigt, wenn die Eigenkapitalausstattung ungenügend ist9.

Die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens wird durch dessen Ertragskraft im Ganzen geprägt. Der Versorgungsschuldner ist nicht schon dann zur Anpassung der Betriebsrenten verpflichtet, wenn einzelne Einkünfte den Umfang der Anpassungslast übersteigen10.

Zudem kommt es im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners an und nicht auf eine fiktive Lage, die bestanden hätte, wenn unternehmerische Entscheidungen anders getroffen worden wären. Insbesondere sieht § 16 BetrAVG eine fiktive Fortschreibung wirtschaftlicher Daten aus der Vergangenheit nicht vor11.

Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass seine Anpassungsentscheidung billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des § 16 BetrAVG hält. Die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich auf alle die Anpassungsentscheidung beeinflussenden Umstände. Hinsichtlich des Anpassungskriteriums „wirtschaftliche Lage“ ergibt sich dies auch daraus, dass Sachvortrag und Beweis in der Regel von der Partei zu verlangen sind, die über die maßgeblichen Umstände Auskunft geben kann und über die entsprechenden Beweismittel verfügt. Dieser Grundsatz gilt vor allem dann, wenn es auf die besonderen Interessen einer Partei oder deren Vermögensverhältnisse ankommt12.

Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse bieten lediglich den geeigneten Einstieg für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebsergebnisse als auch des jeweils vorhandenen Eigenkapitals. Betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen sind vorzunehmen. Allerdings muss der Sachvortrag der Parteien ausreichende Anhaltspunkte dafür enthalten, dass derartige Korrekturen notwendig sind. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Jahresabschlüsse handelsrechtlich ordnungsgemäß erstellt wurden. Sofern der Versorgungsberechtigte die Fehlerhaftigkeit testierter Jahresabschlüsse geltend machen will, hat er die nach seiner Ansicht unterlaufenen Fehler näher zu bezeichnen. Hat er die ordnungsgemäße Erstellung der Jahresabschlüsse substantiiert bestritten, hat der Arbeitgeber vorzutragen und unter Beweis zu stellen, weshalb die Jahresabschlüsse insoweit nicht zu beanstanden sind13.

Diese für werbende Unternehmen entwickelten Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Wesentlichen auch für sog. Rentner- und Abwicklungsgesellschaften. Auch diese haben eine Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zu prüfen. Dabei sind auch Rentner- und Abwicklungsgesellschaften nicht verpflichtet, die Kosten für die Betriebsrentenanpassung aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen. Auch ihnen ist eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zuzubilligen. Deshalb reicht es – entgegen der Rechtsansicht des Klägers – nicht aus, wenn der Rentner- oder Abwicklungsgesellschaft lediglich das gesetzlich vorgeschriebene Stammkapital verbleibt. Allerdings ist bei Rentner- und Abwicklungsgesellschaften eine Eigenkapitalverzinsung angemessen, die der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen entspricht. Für einen Zuschlag, wie er bei aktiven Arbeitgebern vorzunehmen ist, deren in das Unternehmen investiertes Eigenkapital einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, besteht kein Anlass14.

Die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG trifft dasjenige Unternehmen, welches als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder im Wege der Rechtsnachfolge übernommen hat; auf seine wirtschaftliche Lage kommt es an. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Die Konzernverbindung allein ändert weder etwas an der Selbständigkeit der beteiligten juristischen Personen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen15. Eine Ausnahme hiervon gilt im Fall des sog. Berechnungsdurchgriffs. Dabei wird dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens zugerechnet. Der Berechnungsdurchgriff führt dazu, dass ein Unternehmen, welches selbst wirtschaftlich nicht zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage ist, gleichwohl eine Anpassung des Ruhegeldes vornehmen muss, wenn die wirtschaftliche Lage des anderen Konzernunternehmen dies zulässt. Der Berechnungsdurchgriff setzt deshalb einen Gleichlauf von Zurechnung und Innenhaftung im Sinne einer Einstandspflicht/Haftung des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner voraus. Wird der Versorgungsschuldner auf Betriebsrentenanpassung in Anspruch genommen, weil ihm die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens oder der Konzernobergesellschaft zugerechnet wird, muss er die Möglichkeit haben, diese höhere Belastung an das andere Unternehmen weiterzugeben, sich also bei diesem zu refinanzieren16. Dadurch wird sichergestellt, dass die Betriebsrentenanpassungen nicht – entgegen § 16 BetrAVG – aus der Vermögenssubstanz erbracht werden müssen. Der Berechnungsdurchgriff ändert nichts an der Schuldnerstellung. Schuldner der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG bleibt auch beim Berechnungsdurchgriff der Versorgungsschuldner.

Zwar galten für einen Berechnungsdurchgriff im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Urteil vom 28.04.199217 ua. die Grundsätze entsprechend, die der Bundesgerichtshof zur Haftung des herrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten des beherrschten Unternehmens aufgestellt hatte18. Zwischen der konzernmäßigen Durchgriffshaftung und der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers bei der Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG bestand ein Zusammenhang. Haftete beim qualifiziert faktischen Konzern die Konzernobergesellschaft, dann musste diese mit ihrer wirtschaftlichen Lage der Tochtergesellschaft gegenüber auch für deren Anpassungsschulden einstehen.

Nachdem der Bundesgerichtshof jedoch in seiner Grundsatzentscheidung vom 16.07.200719 das von ihm im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Haftungskonzept aufgegeben hat, lassen sich die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze zum Berechnungsdurchgriff im qualifiziert faktischen Konzern nicht mehr aufrechterhalten. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits mit Urteil vom 15.01.201320 entschieden und ausführlich begründet. Hieran hält das Bundesarbeitsgericht fest.

Die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum existenzvernichtenden Eingriff liegen nicht vor. Danach setzt die Verhaltenshaftung des Gesellschafters nach § 826 BGB ua. den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und die dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft bzw. deren Vertiefung voraus19. Die Beklagte war jedoch zu keinem Zeitpunkt von der Insolvenz bedroht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2014 – 3 AZR 899/11

  1. st. Rspr., vgl. etwa BAG 28.05.2013 – 3 AZR 125/11, Rn. 39[]
  2. vgl. BAG 11.12 2012 – 3 AZR 615/10, Rn. 41 mwN[]
  3. vgl. BAG 11.12 2012 – 3 AZR 615/10, Rn. 42 mwN[]
  4. vgl. BAG 11.12 2012 – 3 AZR 615/10, Rn. 43 mwN[]
  5. vgl. BAG 28.05.2013 – 3 AZR 125/11, Rn. 42 mwN[]
  6. vgl. BAG 28.05.2013 – 3 AZR 125/11, Rn. 43 mwN[]
  7. BAG 30.11.2010 – 3 AZR 754/08, Rn. 55 mwN[]
  8. BAG 11.10.2011 – 3 AZR 527/09, Rn. 37 mwN, BAGE 139, 252[]
  9. BAG 11.12 2012 – 3 AZR 615/10, Rn. 47 ff.[]
  10. BAG 26.10.2010 – 3 AZR 502/08, Rn. 56[]
  11. vgl. BAG 28.05.2013 – 3 AZR 125/11, Rn. 71 mwN; 20.08.2013 – 3 AZR 750/11, Rn. 51 mwN[]
  12. vgl. BAG 11.12 2012 – 3 AZR 615/10, Rn. 50 mwN[]
  13. vgl. BAG 18.02.2003 – 3 AZR 172/02, zu A II 2 c der Gründe, BAGE 105, 72[]
  14. vgl. BAG 26.10.2010 – 3 AZR 502/08, Rn. 37 bis 39 mwN[]
  15. vgl. BAG 29.09.2010 – 3 AZR 427/08, Rn. 31, BAGE 135, 344[]
  16. BAG 29.09.2010 – 3 AZR 427/08, Rn. 32, aaO[]
  17. BAG 28.04.1992 – 3 AZR 244/91, zu III 2 der Gründe, BAGE 70, 158; vgl. auch 14.12 1993 – 3 AZR 519/93, zu III 2 der Gründe[]
  18. vgl. etwa BGH 13.12 1993 – II ZR 89/93; 29.03.1993 – II ZR 265/91 – [TBB] BGHZ 122, 123; 23.09.1991 – II ZR 135/90 – [Video] BGHZ 115, 187; 20.02.1989 – II ZR 167/88 – [Tiefbau] BGHZ 107, 7; 16.09.1985 – II ZR 275/84 – [Autokran] BGHZ 95, 330[]
  19. BGH 16.07.2007 – II ZR 3/04 – [TRIHOTEL] BGHZ 173, 246[][]
  20. BAG 15.01.2013 – 3 AZR 638/10, Rn. 35 ff.[]